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Vom strengen Geruch des lockeren Lebens

02.06.2025

Festivals sind so eng mit der Menschheit verbunden wie kaum etwas anderes. Sie prägen uns, unsere Kultur und unterscheiden uns von allen anderen Spezies. Auch unsere Nase charakterisiert uns: Glücklicherweise ist unser Geruchssinn im Vergleich eher schwach, sonst wären wir wohl nie so weit gekommen. Du glaubst mir nicht? Hear me out.

Tanz-Schweiss

Wie unterschiedlich sind eigentlich ein modernes Festival und eine prähistorische Feier zur Sommersonnenwende mit Trommeln, Chören und Hörnern? Ich behaupte: Gar nicht mal so sehr. Schliesslich sind wir Menschen nun mal Menschen, und das durchaus schon eine Weile. So verschieden sind wir nicht, weder in örtlichen noch zeitlichen Belangen: Wir lachen gerne, wir feiern gerne, wir singen gerne, wir berauschen uns gerne und all das natürlich am liebsten gemeinsam. Wie zentral solch mehrtägige Feste und Rituale für die Menschheit sind, kannst du dir leicht ausmalen: Von Göbekli Tepe und Stonehenge über den Carneval, unsere Fasnacht und Songkran bis hin zu Woodstock und Burning Man. Wir brauchen das sporadische Gelage, die gelegentliche Ausflucht und das rituelle Brechen ansonsten üblicher Konventionen einfach ab und zu. Work hard, party hard.

Festival Tanzen
Get busy: Momente, in denen du alles vergisst und einfach bist. Quelle: Unsplash

Der Beat treibt unermüdlich, die HiHats hüpfen verspielt, die Snare klatscht prägnant. Wellen, die vom Nacken ausgehend durch dein Nervensystem fliessen und Melodien, die jedes Haar auf deiner Haut aufstellen. Nur zu gerne erinnere ich mich an jene Momente zurück, in denen ich es einfach «gefühlt» habe. Die Augen geschlossen, ein Lächeln auf den Lippen und am Sternepflücken. Das sind die Momente, in denen du frei bist, frei vom ganzen trivialen Alltagsballast. Einfach sein, im hier und jetzt – und es ist auch egal wie verschwitzt du gerade bist, jemand in deiner direkten Umgebung übertrifft dich bestimmt.

ToiToi-Toi

Die «sanitären» Anlagen auf Festivals grenzen oft an eine Zumutung. Mit etwas Glück gibt's sogar Duschen, von denen vielleicht jede zweite Funktioniert – vorausgesetzt du willst gefühlte Ewigkeiten warten, um dann gestresst unters fallende Wasser zu stehen. Hinter dir wartet schliesslich noch das restliche Festival auf seine Chance. Eine beliebte Alternative stellen Flüsse und Seen dar, sofern das Open Air denn entsprechend gelegen ist.

ToiToiToi
Phuuu – Ain't nothing like a ToiToi, das durchgehend benutzt seit Tagen in der prallen Sonne steht. Quelle: Unsplash

Wer viel trinkt – ob Wasser oder Alkohol – muss auch oft. Als Mann schätze ich mich da noch glücklich: Einfach hinstellen – wo ist grundsätzlich sekundär, bei entsprechendem Pegel und fortgeschrittener Stunde auch primär 😂 – und laufen lassen. Selbstverständlich legte ich dieses Verhalten nicht aus purer Faulheit oder Willen zum Düngen an den Tag bzw. die Nacht, sondern aufgrund eines einschneidenden Erlebnisses, welches ich am Openair Frauenfeld vor etwa zehn Jahren bezeugen, ja sagen wir, du(r)fte: Ein Mann geht auf ein ToiToi. Zwei andere Männer rennen mit Duck-Tape bewaffnet x-mal um das Klo herum. Und dann geschah das Absehbare: Die angestachelten männlichen Vertreter unserer Spezies schmissen das ToiToi samt dem armen Tropf darin um, die Tür zum Boden wohlgemerkt. Yikes.

Rauch

Wo Rauch ist, ist auch Feuer. Die Musik bringt dich zum Glühen, und die Menschen um dich herum entfachen deine Begeisterung. Du geniesst den Moment, lachst und scherzt mit neuen Bekannten und Unbekannten. Achte darauf, dass du den Funken der Freude nicht verlierst, und behalte diese Momente in Erinnerung, nicht dass sich alles wieder nur in Rauch auflöst.

Schall und Rauch
Festival Fragrance: Fruchtige Vape-Düfte kombiniert mit aromatischem Tabak und der ein oder anderen etwas grasigeren Note. Quelle: Unsplash

Schall und Rauch. So könnte man ein Festival vielleicht auch beschreiben. Schliesslich wird viel geschallt und auch viel geraucht beziehungsweise gedampft. Du siehst, wie sie mit ihrer Shisha vor dem Zelt chillen, ein Cervelat über dem Mini-Weber grillen und gemeinsam auf das Leben anstossen. Normalerweise würdest du einfach weiterlaufen, aber weil es ein Festival ist und kaum noch gesellschaftliche Normen gelten (so ähnlich wie in einem Flughafen), gesellst du dich einfach dazu und schliesst neue Freundschaften, seien sie auch nur von kurzer Dauer. Es entstehen Erinnerungen und Geschichten, wie sie nur Festivals schreiben können.

Rausch

Wann ist ein Mensch wahrlich nüchtern? Ich argumentiere: während seiner Lebzeit nie. Denn unser Gehirn steht vom Moment der Geburt bis zum letzten Atemzug in Wechselwirkung mit Elementen aus der Umwelt oder jenen, die das Gehirn selbst herstellt und ausschütten kann, aber das Rohmaterial dennoch von aussen braucht. Bist du nüchtern, wenn du einen Tag nichts gegessen hast, oder wechselt dein Gehirn dann langsam in einen Hungerrausch? Bist du nüchtern, wenn du frisch ausgeschlafen aufstehst, oder verfällt der Körper dann in einen Energierausch? Bist du nüchtern, wenn du einen lustigen Witz hörst, oder befindet sich dein Gehirn dann im Rausch des Humors? Du siehst, ein Mensch ist eigentlich nie nüchtern. Somit gönn dir was. Und ja, ich bin ein Meister des Rationalisierens und Relativierens. Selbstverständlich vertreiben wir entsprechende Genussmittel auch selbst, wie alles was Geld gibt und nicht abläuft. Du brauchst also nur noch für frische Lebensmittel und Festivals das Haus verlassen. 😉

Shades
Shades 24/7 und zwei Wasser bitte. 😉 Quelle: Unsplash

Der Duft von Freiheit liegt in der Luft

Freedom. Nein, deine Neigung, dominiert zu werden, ist nicht gratis. Dafür was viel Besseres: Erwartungslose Genusszeit, zzgl. Ticketpreis. Doch es lohnt sich. Ein zwei- oder dreitägiger Trip raus aus dem Alltag bringt mir und vermutlich auch dir den so dringend benötigten Ausgleich im einzigen Leben, das wir haben. So oft müssen wir funktionieren, uns an Normen halten und mitspielen. Irgendwann bricht es aus, die Frage ist nur, ob kontrolliert oder unkontrolliert. Tu dir und deiner Seele den regelmässigen Gefallen, selbstauferlegte Rahmen zu sprengen, ob auf einem Festival oder sonst wo. Balance is key.

Freedom
Gönn dir mal was. Quelle: Unsplash

Fazit

Was unterscheidet die Menschen von allen anderen Tieren? Es ist die Fähigkeit zu schwitzen. Es ist die Fähigkeit mit Feuer umzugehen. Es ist die Fähigkeit, die eigene Atmung bewusst zu kontrollieren. Es ist die Fähigkeit zur Musik, Tanz und Kultur. Es ist die unbändige Gier auf Neues, Schönes und Stimulierendes. Stell dein strenges Alltagsleben mit lockeren Düften vorübergehend in den Schrank und lass mal wieder dein wahres Ich raus. Kurzum: Das Festival unterscheidet die Menschen von allen anderen Spezies auf der Welt – change my mind 😉

Benjamin Bischof

Content Marketing Manager

Irgendwo zwischen Old Soul und Kindskopf begeistere ich mich seit je her für alles Digitale, aber auch so manch Analoges. Ich schraube regelmässig an Beats in meiner DAW, führe mein Volk in Strategiespielen zu Ruhm und Ehre oder geistere wie ein Schatten durch einen Stealth Shooter. Zudem höre ich gerne schlauen Menschen zu, die über Philosophie, Technologie oder gesellschaftliche Themen sprechen. Selbstverständlich alles mithilfe (m)eines Computers, dem wahrscheinlich mächtigsten und zugänglichsten Werkzeug der Menschheitsgeschichte. Viel zu lernen ich noch habe!

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