
Von der Lehre im Strassenbau zum Aufstiegshelden: Im Gespräch mit Ethan Meichtry
Bei der U15 seines Herzensvereins aussortiert, eine Lehre im Strassenbau absolviert, sich zurück in die erste Mannschaft gekämpft und schliesslich zum Aufstiegshelden geworden: Ethan Meichtry schrieb mit seinem entscheidenden Tor gegen den FC Aarau ein Stück Thuner Fussballgeschichte. Seine Laufbahn liest sich wie ein modernes Fussballmärchen, und ich durfte mit ihm darüber sprechen. Hinter seinem Erfolg steckt weit mehr als Talent – nämlich Entschlossenheit, harte Arbeit und ein unerschütterlicher Glaube an sich selbst.
Es ist kurz vor halb eins, als Lynn vom Social Media-Team und ich die Stockhorn Arena erblicken. Die Sicht auf das Stockhorn selbst bleibt uns vom dichten Nebel aber verwehrt. Von Patricia Greber, der Verantwortlichen für Kommunikation, Medien und Marketing beim FC Thun, werden wir freundlich begrüsst und von der eisigen Thuner Kälte in den warmen «Friends Corner» des Stadions begleitet. Auf dem Weg dahin begegnet uns auf der Treppe überraschend Trainer Mauro Lustrinelli, gefolgt von ein paar Spielern und Staffmembern. Sie nicken uns freundlich zu. Während wir uns dann in dem Raum gleich hinter der Tribüne mit herrlichem Blick ins Innere des Stadions einrichten, stösst der lächelnde Protagonist zu uns. Ethan Meichtry ist ein Eigengewächs des FC Thun, er kommt aus der Region und ist beim Club gross geworden. Nun ist er mit 4 Toren in 12 Einsätzen ein wichtiger Spieler in der Super League (Stand 20.11.2025). Mich fasziniert sein Weg dahin. Ich habe mir die Szenen nach seinem Siegestor gegen den FC Aarau und nach Abpfiff mehrmals angeschaut. Das sind Momente, von denen man als Kind träumt. Über Ethan und seine inspirierende Geschichte durfte ich im Gespräch mehr erfahren, und dabei den sympathischen Menschen hinter dem Fussballprofi kennenlernen.
Comeback-Story
Ethan, mit deinem Traumtor gegen den FC Aarau in der Challenge League hast du den FC Thun zurück in die Brack Super League geschossen. Was war das für ein Gefühl?
Es waren extrem schöne Emotionen, die ich damals erleben durfte – ein unbeschreibliches Gefühl. Ich habe mich fantastisch gefühlt. Es war unglaublich und mit Sicherheit der schönste Moment meiner bisherigen Karriere.
Einst musstest du die U15 des FC Thun verlassen. Nun bist du zurück – in der 1. Mannschaft, Fussballprofi, Aufstiegsheld. Wie hast du nach diesem Rückschlag damals zurückgefunden?
Als ich die U15 des FC Thun verlassen musste und zurück zu meinem Jugendverein, dem FC Dürrenast, wechselte, holte ich mir dort sehr viel Selbstvertrauen. Ich spürte, dass ich deutlich besser war als die anderen. In dieser Zeit habe ich auch sehr viel alleine trainiert und viel an mir gearbeitet. Ich bin mental stark geblieben und habe weiterhin an mein Ziel und an mich selbst geglaubt. Was mir neben meiner mentalen Stärke am meisten geholfen hat, waren meine Familie und Freunde. Sie haben immer an mich geglaubt. Den Traum, Profi zu werden, habe ich nie aufgegeben, auch beim FC Dürrenast nicht.
Wann hast du realisiert, dass du Fussballprofi werden willst, und wann hast du realisiert, dass du es tatsächlich wirst?
Schon als kleiner Junge drehte sich in meinem Leben alles um den Fussball. Ich hatte ständig einen Ball dabei und war jeden Tag auf dem «Schuutplatz». Schon damals war mir klar, dass ich einmal Fussballprofi werden will. Ich wollte so spielen wie die im Fernsehen, und träumte davon, eines Tages auch auf diesen Plätzen, in diesen Stadien zu stehen. Beim FC Dürrenast wurde mir dann bewusst, dass ich tatsächlich das Potenzial dazu habe. Ich hatte das Gefühl, deutlich besser zu sein als die anderen, und das gab mir viel Selbstvertrauen. Mit genau diesem Selbstvertrauen machte ich dann weiter, als ich wieder zurück zum FC Thun durfte. Spätestens dort wurde mir klar, dass ich wirklich Profi werden kann – und dass ich diesen Weg auch gehen werde.
Was macht es für dich aus, deinen Fussballtraum zu leben?
Ich würde sagen, das Schönste ist, dass ich jeden Tag mein Hobby ausleben darf. Ich komme jeden Tag mit Freude hierher. Ich hatte damals eine Strassenbaulehre gemacht – das waren harte drei Jahre. Ich ging schon ab und zu gerne zur Arbeit, aber insgesamt war es nicht das, was ich mir erhoffte. Deshalb bin ich heute umso glücklicher, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte und jeden Tag das tun darf, was ich liebe.
Aufstieg & Brack Super League
Nach fünf Jahren ist der FC Thun zurück in der Brack Super League, und nach 13 Spielen mit 9 Punkten Abstand (Anm. d. Red.: Stand 20.11.2025) an der Tabellenspitze. Habt ihr vor der Saison an so eine Leistung geglaubt und was ist aus deiner Sicht das Erfolgsrezept?
Wir wussten auf jeden Fall, was wir können und welche Qualitäten wir haben. Aber dass es gleich so kommt, damit hätte wahrscheinlich niemand gerechnet. Uns war aber klar, dass wir gut sind und uns in dieser Liga nicht verstecken müssen.
Das Erfolgsrezept? Jeder weiss genau, was er zu tun hat. Und wir haben einen unglaublichen Teamspirit – jeder versteht sich mit jedem, wir haben es alle gut miteinander. Das ist für mich ein ganz wichtiger Aspekt, um als Mannschaft Erfolg zu haben. Zudem gab es bei uns nur wenige personelle Veränderungen. Dadurch konnten wir den Teamspirit und die Euphorie aus der Aufstiegssaison mitnehmen. Es macht einfach Spass, zusammen auf dem Platz zu stehen.
Wenn es so weiter geht, ist auch europäisch zu spielen bald eine Möglichkeit. Wahrscheinlich ein Kindheitstraum? Gegen welche Mannschaft würdest du am liebsten spielen?
Ja, auf jeden Fall. Einmal Champions League spielen zu dürfen, das wäre ein Traum für mich. Mein Kindheitsclub ist der FC Barcelona, deshalb würde ich natürlich sehr gerne eines Tages gegen sie spielen.
Jetzt wird ja das Camp Nou wieder eröffnet…
(lächelt) Das wäre super, ja.
Fokus, Fitness und Fortnite – ein Blick in Meichtrys Alltag
Du wurdest (von Präsident Andres Gerber) als «Lamine Yamal des Berner Oberlands» bezeichnet. Was macht das mit dir?
Ich verstehe das eher als Witz, ich nehme das nicht so ernst. Trotzdem ist es natürlich schön zu hören – letztlich nehme ich es als Lob an.
Woran arbeitest du gerade am meisten? Technik, Schnelligkeit oder Mentalität?
Abseits vom Teamtraining versuche ich gerade, körperlich etwas zuzulegen. Daran arbeite ich auch in meiner Freizeit viel, daher bin ich im Moment oft im Fitnessstudio. Darauf liegt aktuell mein Fokus.
Du bist in Thun aufgewachsen und hast schon als Kind beim FC Thun gespielt. Da entsteht sicher eine besondere Verbindung zum Verein und auch zu den Fans. Gibt es Momente oder Begegnungen, die dir besonders geblieben sind?
Allen voran wäre da sicher mein Treffer gegen den FC Aarau, der zum Aufstieg geführt hat. Wie die Fans mich danach gefeiert haben – das werde ich nie vergessen.
Hast du bestimmte Routinen vor einem Spiel und was machst du, um mal abzuschalten?
Vor den Spielen gehe ich gerne spazieren, um den Kopf etwas zu lüften, sonst habe ich keine speziellen Routinen. Um abzuschalten, spiele ich gerne Videospiele. Zum Beispiel Fortnite und FIFA – die Games, die man so kennt. Ab und zu unternehme ich auch gerne etwas mit Kollegen. Sonst eigentlich nichts Grosses.
Hast du dich bei FIFA auch schon selber gespielt?
(lächelt) Ja.
Eine Frage, die momentan wahrscheinlich schwer zu beantworten ist: Wie gehst du mit Niederlagen und Rückschlägen um?
(zögert) Hmm… Das ist schwierig zu sagen, ich habe mir das noch gar nie so richtig überlegt. Ich versuche, es positiv zu sehen und meinen Fokus auf das zu richten, was als Nächstes kommt. Niederlagen sind immer auch eine Lehre, man kann viel daraus mitnehmen. Ich lasse den Kopf nicht hängen und versuche, mich nicht davon runterziehen zu lassen. Klar, am Abend nach einer Niederlage nagt es an einem, aber spätestens am nächsten Tag schaue ich wieder nach vorne.
Von erfüllten Träumen und jenen, die noch warten
Wenn heute ein 15-Jähriger, der eine ähnliche Geschichte erlebt wie du damals, dich fragt, wie wichtig ein Plan B ist, was würdest du ihm sagen?
Ich hatte nie wirklich einen Plan B. Ich hatte immer nur Plan A im Kopf. Ich finde, wenn du ein Ziel im Kopf hast, musst du auch wissen, dass du es schaffst. Wenn du nicht zu 100 Prozent davon überzeugt bist, schaffst du es auch nicht. Deshalb hatte ich immer nur Plan A im Kopf und ich wusste, dass ich es packen werde. Weil ich diese Mentalität hatte, habe ich es schlussendlich auch realisiert.
Abschliessend möchte ich deine Geschichte nochmals kurz zusammenfassen: «Ein Junge aus dem Berner Oberland wird bei der U15 seines Herzensvereins aussortiert, macht eine Lehre im Strassenbau, kämpft sich zurück in die erste Mannschaft des FC Thun, erzielt dann das entscheidende Tor zum Aufstieg, spielt heute in der Brack Super League und steht im U21-Kader der Schweizer Nati.» Diese Geschichte klingt fast wie ein Fussballmärchen, und sie ist sicher noch lange nicht zu Ende. Wo willst du noch hin?
Natürlich will ich irgendwann einmal in der Champions League spielen – ich glaube, international aufzulaufen, ist der Traum jedes Fussballers. Auf diesem Niveau dabei sein zu dürfen, wäre etwas unglaublich Spezielles. Und mein grosses Ziel ist es auch, den Sprung in die A-Nationalmannschaft zu schaffen. Das sind im Moment sicher meine grössten Ziele.
Ethan, herzlichen Dank, dass du dir die Zeit für meine Fragen genommen hast. Wir wünschen dir und dem FC Thun weiterhin viel Erfolg und alles Gute!
Das Gespräch mit dem bodenständigen und herzlichen Ethan Meichtry zeigte eindrücklich, wie viel Charakter, Mut und Ausdauer hinter seiner sportlichen Entwicklung stehen. Seine Geschichte vermag nicht nur junge Fussballerinnen und Fussballer zu inspirieren, sondern auch all jene, die an ihren Träumen festhalten – auch wenn der Weg dorthin nicht immer geradlinig verläuft.
Das Kapitel «Aufstiegsheld» ist für ihn der Anfang einer noch viel grösseren Geschichte. Ich werde die Spiele des FC Thun auf jeden Fall weiterhin verfolgen – nun erst recht mit besonderem Augenmerk auf die Nummer 77.
Hinweis: Das Interview wurde am 20.11.2025 geführt. Spätere Ereignisse wurden nicht berücksichtigt.
Quelle Titelbild: Brack.Alltron
Marketing Manager Editorial Content
Mein erstes Wort war "Ball" – und auch heute noch dreht sich in meinem Leben fast alles um Fussball. Wenn ich nicht gerade selbst auf dem Rasen stehe, schreibe ich hier über die neuesten Entwicklungen im Schweizer und internationalen Fussball und teile meine Gedanken rund um die Brack Super League. Doch meine Leidenschaft für das Schreiben geht darüber hinaus. Ob Sport, Gesellschaft oder Kultur – ich schreibe, weil Sprache für mich mehr ist als Mittel zum Zweck: Sie ist Werkzeug, Spielplatz und Zuhause zugleich.
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