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Im Stillen wachsen – der «Winter Arc» als Chance für Veränderung

14.10.2025

Die Tage werden kürzer, draussen wird es kälter und die Welt scheint langsamer zu werden. Nachdem der Sommer einen französischen Abgang hingelegt hat und wir noch nicht so richtig damit klarkommen, dass wir bereits unsere Wintermäntel aus dem Keller holen müssen, sind TikTok und YouTube voll mit ehrgeizigen Menschen, die stolz verkünden, ihren «Winter Arc» begonnen zu haben. Vor allem junge Männer zeigen in den sozialen Medien, wie sie sich zwischen Oktober und Januar bewusst zurückziehen und an sich selbst arbeiten. Anstatt auf der Couch Netflix zu schauen und die guten Vorsätze, an die man sich eh nicht gehalten hat, wieder aufs neue Jahr aufzuschieben, arbeiten sie schon vor Neujahr an ihrer Fitness und mentalen Stärke – still und konsequent. Doch was genau steckt hinter diesem Trend und wie kann man ihn für die eigenen Ziele nutzen ohne in der Adventszeit auf Fondue, Glühwein und Weihnachtsguetzli zu verzichten?

Woher kommt der Begriff «Winter Arc»?

Das englische Wort «Arc» kann etwa mit «Bogen» übersetzt werden und bezieht sich in der Popkultur, besonders in Filmen, Serien oder Videospielen, auf eine in sich geschlossene Entwicklung oder Phase einer Figur. In der Anime-Welt zum Beispiel beschreibt er eine abgeschlossene Handlungsphase eines Charakters, in der dieser unter härtesten Bedingungen, oft in abgelegenen, gnadenlosen Umgebungen, intensiv trainiert, sich zurückzieht und zu sich selbst findet. Genau dieses Prinzip wird im «Winter Arc» auf das eigene Leben übertragen: Die kalte Jahreszeit wird zur stillen Bühne für die eigene Weiterentwicklung.

 

Warum der Winter perfekt ist

Der Winter lädt ein, sich zu sammeln. Die Welt draussen wird stiller, soziale Verpflichtungen nehmen ab und Ablenkungen verschwinden. Die Kälte fordert, die Dunkelheit zwingt zu Ruhe, und in diesem scheinbaren Stillstand entsteht Raum für Wachstum. Wer den «Winter Arc» annimmt, nutzt die Zeit für Dinge, die im Sommer vielleicht zu kurz gekommen sind, wie längere Lesesessions, Meditation, Sport oder das Verfolgen sonstiger persönliche Ziele.

TikToker:innen schwören dabei auf immer gleiche Aufstehzeiten – auch am Wochenende –, auf Morgenroutinen wie Tagebuchschreiben oder Dankbarkeitsübungen, Dopamin-Kuren ohne Social Media und kalte Duschen. Konsistenz schlägt Intensität, das ist das Credo. Alles mit dem Ziel, einer möglichen Winterdepression entgegenzuwirken und das Beste aus dieser für viele deprimierenden Zeit rauszuholen. Oder wie es auf TikTok heisst: Nutze die Zeit, in der andere nichts tun, um an dir zu arbeiten und stärker denn je zurückzukommen.

 

Auch für Normalsterbliche machbar?

In den Tiefen von TikTok und YouTube entfaltet sich der «Winter Arc» als eine von düsterer Ästhetik begleitete Inszenierung von Selbstdisziplin, Härte und innerer Transformation. Orchestrale Klänge schwellen an, Nebel zieht über gefrorene Seen, während jemand in ein Eisloch taucht oder in eisiger Kälte mit Klimmzügen seine Muskeln aufpumpt. Im Hintergrund hört man Zitate von David Goggins oder Joe Rogan. Das Motto lautet «grind in silence – locked in». Und zwischen Pathos und Selbstinszenierung entsteht eine übersteigerte Dramatik, die sicher den einen oder anderen motiviert, die aber genauso belächelt werden kann.

Die Social-Media-Welt zeigt Influencer:innen, die morgens nach dem Aufstehen erstmals meditieren, ein wenig lesen, später ins Fitnessstudio gehen und danach aufwändige gesunde Gerichte zubereiten. Das alles bringen sie mühelos unter einen Hut und zwischendurch finden sie noch Zeit, sich beim Eisbaden zu filmen. Für die meisten von uns, die währenddessen bei der Arbeit sind, Kinder von der Schule abholen oder sonstigen Verpflichtungen nachgehen, wirkt dieses «grinden» eher illusorisch.

Dennoch bietet der Winter Zeit für kleine, reale Anpassungen. Man muss nicht jeden Tag ins Fitnessstudio gehen und eine halbe Stunde meditieren. Auch kleine Gewohnheiten können eine grosse Wirkung haben: weniger auf Instagram scrollen oder eine Netflix-Folge weniger schauen und schon hat man ein paar Minuten mehr Zeit für Bewegung, bewussteres Kochen oder Yoga.

 

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Der «Winter Arc» muss nicht düster sein. Quelle: Unsplash | Getty Images

 

Mein persönlicher «Winter Arc»

Was mich am Narrativ rund um den «Winter Arc» stört, ist dieser obsessive Tunnelblick, das scheinbare Verzichten auf alles, was Spass macht. Diese Verbissenheit, um jeden Preis besser zu werden und erfolgreicher «zurückzukommen» empfinde ich als übertrieben und auch nicht mehr gesund. Und das, obwohl ich die Wintermonate selbst gerne nutze, um mehr Zeit in meine persönlichen Ziele zu investieren – nur eben ohne auf die schönen Dinge, die der Winter ohne Zweifel mit sich bringt, zu verzichten.

Als Amateurfussballer lege ich in den kälteren Monaten besonderen Fokus auf das Fitnessstudio – vor allem auf das Beintraining, das während der Saison meist kürzer kommt. Sauna und Wellness sowie längere Stretching-Sessions für eine optimale Regeneration werden bewusst eingeplant. Ich nehme mir auch mehr Zeit für andere Hobbys wie Lesen oder Klavierspielen und manchmal finde ich sogar Zeit für Meditation oder Atemübungen. All das bedeutet für mich jedoch keinen zwanghaften Fokus, und schon gar nicht Verzicht auf Genuss: Der Weihnachtsmarkt, Fondue, Glühwein, Zeit mit Familie und Freunden sind fester Bestandteil meines Winters. Der «Winter-Arc» ist für mich kein Askese-Experiment, sondern ein bewusster Einklang von Disziplin und Freude.

 

Fazit – Der Winter als Chance

Der «Winter Arc» ist weit mehr als ein viraler Trend auf TikTok. Es ist eine Einladung, die kalte Jahreszeit sinnvoll zu nutzen, an sich selbst zu arbeiten und im Stillen zu wachsen. Wer sich bewusst zurückzieht, Routinen etabliert und kleine, aber konsequente Schritte geht, wird merken: Der Winter ist kein Hindernis, sondern eine Chance. Auch wenn man es nicht nötig hat, sein Leben komplett umzukrempeln. Du musst ja nicht als Muskelprotz «zurückkommen». Vielleicht lernst du ein neues Instrument, entwickelst eine kreative Fähigkeit oder machst einfach bewusst Spaziergänge in der Natur – all das ist Teil des (gesunden) «Winter Arcs».

 

 

Quelle Titelbild: Unsplash | Kateryna Hliznitsova

Marius Bachmann

Marketing Manager Editorial Content

Mein erstes Wort war "Ball" – und auch heute noch dreht sich in meinem Leben fast alles um Fussball. Wenn ich nicht gerade selbst auf dem Rasen stehe, schreibe ich hier über die neuesten Entwicklungen im Schweizer und internationalen Fussball und teile meine Gedanken rund um die Brack Super League. Doch meine Leidenschaft für das Schreiben geht darüber hinaus. Ob Sport, Gesellschaft oder Kultur – ich schreibe, weil Sprache für mich mehr ist als Mittel zum Zweck: Sie ist Werkzeug, Spielplatz und Zuhause zugleich.

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