
Wenn Doping plötzlich erlaubt ist. Was steckt hinter den Enhanced Games?
Eine Multisportveranstaltung, die verspricht, Sport neu zu definieren, sorgt für hitzige Debatten. Sind wir Zeugen eines mutigen Experiments oder eines riskanten Tabubruchs, der die Idee des fairen Sports auf den Kopf stellt?
Was sind die Enhanced Games überhaupt?
Die Idee klingt provokant: Eine internationale Sportveranstaltung, bei der Athlet:innen ausdrücklich leistungssteigernde Substanzen einsetzen. Steroide, Hormone, neuartige Therapien – alles, was den Körper schneller, stärker oder ausdauernder macht, ist hier nicht nur toleriert, sondern Teil des Konzepts. Gegründet wurden die Enhanced Games vom australisch-amerikanischen Unternehmer Aron D’Souza. Austragungsort: Las Vegas, Mai 2026. Auf dem Programm stehen Wettkämpfe im Schwimmen, Gewichtheben und Sprint-Disziplinen der Leichtathletik. Finanziert wird das Projekt von prominenten Investoren wie Donald Trump Jr., Techmilliardär Peter Thiel (PayPal-Mitgründer) und weiteren Geldgebern.
Das Ziel: Rekorde um jeden Preis
Hinter der Idee steckt ein klares Ziel. Sportler:innen sollen über ihre bisherigen Grenzen hinauswachsen. Die Veranstaltung richtet sich an Athlet:innen, die ihren sportlichen Höhepunkt bereits überschritten haben und im klassischen Wettkampfsystem kaum noch Chancen auf grosse Titel oder Rekorde hätten. Hier sollen sie, unterstützt durch leistungssteigernde Substanzen, das scheinbar Unmögliche schaffen: Weltrekorde brechen, die unter den strengen Anti-Doping-Regeln des olympischen Sports unerreichbar wären. Wie dieses Konzept aussieht, zeigten bereits erste Rekordversuche. Der Grieche Kristian Gkolomeev schwamm über 50 Meter Freistil in 21,03 Sekunden und unterbot damit die bisherige Bestmarke. Für die Organisatoren sind solche Leistungen der eigentliche Kern des Projekts. Die Enhanced Games wollen nicht nur ein Spektakel liefern, sondern auch die Frage aufwerfen, wie weit sich der menschliche Körper mit moderner Medizin und Technik tatsächlich treiben lässt.
Die Argumente der Befürworter
Die Befürworter sprechen von einem Befreiungsschlag. Endlich kein Versteckspiel, keine Doppelmoral. D’Souza selbst behauptet in einem Interview: «44 Prozent aller Sportler sind gedopt, erwischt wird aber nur ein Prozent» (Quelle: SRF). Warum also nicht die Regeln ändern? Wenn alles erlaubt sei, so sein Argument, herrsche wahre Chancengleichheit und Fairness. Hinzu kommt der wissenschaftliche Reiz. Es gehe darum, die Grenzen des menschlichen Körpers auszutesten und zu erweitern mit der Frage: Wie weit lässt sich Leistung steigern, wenn man alle Fesseln löst? Die Organisatoren erhoffen sich zudem, dass daraus eventuell Erkenntnisse entstehen, die in der Medizin oder Forschung nutzbar sein können, um länger gesund zu leben. Um Sicherheit zu demonstrieren, versprechen die Organisatoren zudem umfassende medizinische Checks, Gesundheitsprofile und die Begleitung durch wissenschaftliche und ethische Gremien. Ob das reicht, um die Risiken einzugrenzen, bleibt derzeit noch fraglich, aber es vermittelt ein kompetentes Bild.
Neben dem Reiz, die Grenzen des menschlichen Körpers auszuloten, lockt vor allem das Geld. Während viele olympische Athlet:innen trotz jahrelangen Trainings von bescheidenen Prämien leben müssen, versprechen die Enhanced Games Preisgelder, die deutlich darüber liegen. Ein Weltrekord bringt hier eine Million US-Dollar, ein erster Platz immerhin 250’000 US-Dollar. Das sind Summen, von denen selbst Olympiasieger oft nur träumen können. Für viele Sportler:innen könnte das den Unterschied zwischen einem finanziell unsicheren Profidasein und echter wirtschaftlicher Unabhängigkeit bedeuten.
Und nicht zuletzt geht es um Aufmerksamkeit. Ein Event, das so radikal Traditionen bricht, weckt Neugier bei Medien, Sponsoren und Publikum. Und genau mit dieser Faszination des Extremen spielen die Macher.
Bekannte Namen wagen den Tabubruch
Der britische Olympia-Silbermedaillengewinner Ben Proud kündigte an, in Las Vegas anzutreten. Auf Instagram begründete er seinen Schritt damit, «die Grenzen des menschlichen Potenzials mit den Mitteln unserer Zeit ausloten» zu wollen.
Ebenfalls für Aufsehen sorgte die Ankündigung der ehemaligen US-Schwimmerin Megan Romano. Die mehrfache Weltmeisterin hatte sich nach ihrer verpassten Olympia-Qualifikation 2016 eigentlich vom Profisport verabschiedet. In ihrem Ankündigungsvideo erklärt Romano: «Ich möchte wissen, was menschlich möglich ist, Grenzen austesten und Erfolge feiern.»
Und nun reiht sich ein weiterer grosser Name ein: Fred Kerley, 100-Meter-Weltmeister von 2022, Olympia-Silbermedaillengewinner in Tokio (2021) und Olympia-Bronzemedaillengewinner in Paris (2024). Der wegen verpasster Dopingtests derzeit gesperrte US-Sprinter gilt als einer der schnellsten Männer der Welt. Seine Teilnahme dürfte dem Event noch mehr Brisanz verleihen. Mit solchen Hochkarätern im Teilnehmerfeld wird deutlich: Die Enhanced Games sind längst mehr als ein Nischenexperiment. Wenn Weltmeister und Olympiasieger den Schritt wagen, wird das Event zu einem echten Testlauf für die Zukunft des Spitzensports.
Die Kritik und Risiken
Die Gegenstimmen sind laut und kommen nicht nur von Ärzt:innen, sondern auch von Sportverbänden und Athlet:innen selbst. Im Zentrum stehen massive gesundheitliche Bedenken. Der Einsatz von Steroiden, Wachstumshormonen oder neuartigen Substanzen ist alles andere als harmlos und kann zu schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen, irreversiblen Organschäden oder psychischen Problemen führen. Nebenwirkungen wie Haarausfall, hormonelle Veränderungen, Unfruchtbarkeit oder sogar Todesfälle sind dokumentiert (Quelle: Deutsches Ärzteblatt).
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) findet deutliche Worte: «Solche Substanzen können schwerwiegende langfristige gesundheitliche Folgen haben – sogar den Tod – und es ist völlig unverantwortlich und unmoralisch, Sportler zu ihrer Verwendung zu ermutigen. Kein sportlicher Erfolg ist einen solchen Preis wert» (Quelle: SRF). Ärzt:innen und Sportverbände warnen: Hier geht es nicht mehr um Sport, sondern um ein Selbstexperiment auf offener Bühne. Auch das Argument der «Chancengleichheit» halte einer näheren Betrachtung gemäss den Kritiker:innen kaum stand. Athlet:innen mit grossem Budget und Zugang zu Hightech-Laboren könnten sich die wirksamsten Präparate und die beste medizinische Überwachung leisten, während andere auf einfachere Mittel angewiesen wären. Der Wettbewerb würde damit weniger über Talent und Training entschieden, sondern über Ressourcen. Zudem reagieren Menschen sehr unterschiedlich auf leistungssteigernde Substanzen – von Fairness könne man also kaum reden.
Auch gesellschaftlich birgt das Modell Sprengkraft. Denn Sport gilt traditionell als Symbol für Fairness, Disziplin und die Möglichkeit, mit harter Arbeit über sich hinauszuwachsen. Die Enhanced Games stellen dieses Ideal gänzlich infrage. Wenn Chemie und Technologie die Hauptrolle spielen, droht aus Sport ein reiner Biotech-Wettlauf zu werden – ein Wettkampf der Präparate statt der Athlet:innen. Entsprechend deutlich fällt der Widerstand auch in der Schweizer Sportwelt aus. Ernst König, Direktor von Swiss Sport Integrity, spricht in einem Interview mit SRF von einer «gefährlichen Schnapsidee» und betont: «Athletinnen und Athleten sind definitionsgemäss schon aussergewöhnlich. Da braucht es keine zusätzlichen Mittel.» Auch der Schweizer Schwimmstar Noè Ponti warnt: «Am Ende fördern sie so einen unsauberen Sport. Ich finde es moralisch nicht richtig und bin wirklich klar dagegen. Jetzt müssen wir sauberen Athleten halt zeigen, dass wir schneller sind als die gedopten Sportler.»
Ein Blick in die Zukunft
Ob die Enhanced Games nur ein kurzes Medienspektakel bleiben oder sich als feste Grösse etablieren, ist noch unklar. Möglich ist, dass sie zu einer Art Parallel-Event werden, während Olympia weiterhin auf Dopingkontrollen und das Ideal des sauberen Sports setzt. Vielleicht entstehen irgendwann zwei Welten: Clean Sports und Enhanced Sports.
Fest steht: Dieses Projekt zwingt uns, über Grundsatzfragen nachzudenken. Was ist Sport eigentlich? Geht es nur um Rekorde und maximale Leistung oder auch um Fairness, Gleichheit und Gesundheit? Die Enhanced Games beantworten diese Frage radikal: Für sie zählt das Limit – und wie man es überschreiten kann.
Quelle Titelbild: AdobeStock | 366117227
Marketing Manager Editorial Content
Mit meiner Bucket List aus Kindheitstagen erkunde ich regelmässig neue Orte, Städte oder ganze Länder und geniesse es, die vielfältigen Facetten Europas zu entdecken. Neben meinen Abenteuern in der Ferne ist die Literatur meine grosse Leidenschaft, und ich liebe es, in fesselnde Geschichten und Welten einzutauchen. Wenn ich einmal nicht auf Reisen bin, findet man mich dabei, mit grosser Freude die neuesten Brunch-Spots in meiner Nähe auszuprobieren.
Alle Beiträge der Autorin anzeigen