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Steilpass aus England: So kam der Fussball in die Schweiz

25.06.2025

Young Boys, Grasshoppers, Goalie und Penalty: Namen und Begriffe wie diese zeugen noch heute davon, dass es Engländer waren, die den Fussball in der Schweiz populär machten. Schon früh fand der moderne Fussball hierzulande seine zweite Heimat, und Schweizer Pioniere trugen ihn von hier aus ins europäische Umland.

England ist die Heimat des Fussballs – so zumindest betonen es die Engländer selber gerne. In der Tat konnten sich Ligen, Cups und Meisterschaften erst entwickeln, nachdem es die sportversessenen Engländer des 19. Jahrhunderts zustande gebracht hatten, einheitliche Regeln zu beschliessen und durchzusetzen. Und englischen Expats ist es zu verdanken, dass Schweizer:innen schon früh mit der modernen Spielart des Sports in Kontakt kamen. Dennoch – «getschuttet» wurde schon lange zuvor in diversen Weltregionen. Werfen wir rasch einen Blick zurück in die Zeit, als es noch keine internationalen Normen für Teamgrössen, Spielfelder und Tore gab.

Die lange Vorgeschichte des Kickens

Schon früh sehr weit entwickelt war das Fussballspiel in China. Mitunter sollen die Chinesen bereits im 6. Jahrhundert den luftgefüllten Lederball erfunden haben; er löste den feder- oder tierhaargefüllten Lederball ab. Auch Regeln gab es wohl schon, und Forschende vermuten, dass sogar eine Profiliga existierte.

Mit einem Ball aus Kautschuk spielten die Maya und die Azteken, was ihnen die Kolonialisten flugs abschauten. Daneben könnten es die Europäer auch bei den Turkvölkern Mittelasiens mitbekommen haben, dass das Kicken von Bällen in Teams grosse Freude bereitet. Jedenfalls ist es nicht nur aus England, sondern auch aus Frankreich und Italien überliefert, dass spätestens seit dem Übergang zur Neuzeit fussballartiger Sport betrieben wurde. In Italien hat er bis heute seinen ursprünglichen Namen «Calcio» behalten.

Der Weg zu modernen Regeln und die Abspaltung von Rugby

Lange beschränkte sich die Kickerei in Europa auf lokale Traditionen und gelegentliche Veranstaltungen. Die Wende zum modernen Fussball nahm 1845 in England ihren Anfang, als der erste dokumentierte Vorschlag für einheitliche Regeln vorgelegt wurde. Dieser umfasste noch vieles, was heute im Fussball undenkbar wäre: So war es zum Beispiel noch allen Spielern erlaubt, den Ball mit den Händen zu fangen, bloss wegrennen damit war verboten. Eine Vorstellung vom Geschehen auf den Spielfeldern der damaligen Zeit erhält man, wenn man weiss: Fussball und Rugby waren zu jener Zeit noch eins und wurden erst im Verlaufe der folgenden Regelstreitigkeiten zu zwei Sportarten.

Engländer gründen erste Clubs in der Schweiz

Die Schweiz war zu dieser Zeit eine wichtige Drehscheibe in Europa, und so brachten Engländer den Fussball bereits in den 1850er und -60er Jahren hierhin – während also der Regulierungsprozess noch im vollen Gange und Handspiel noch erlaubt war. Vor allem in der Genferseeregion fand der neue Sport rasch Verbreitung, und so entstand hier der erste Hotspot des modernen Fussballs ausserhalb Englands. Während in der Romandie Engländer um 1870 die ersten Clubs gründeten, waren es in St. Gallen die Schweizer Mitschüler junger Engländer, die 1879 den FC St. Gallen offiziell ins Leben riefen – und damit den ersten Schweizer Fussballclub gründeten, der heute immer noch aktiv ist. Noch ohne Vereinsstatuten soll der FC St. Gallen sogar schon einige Jahre früher erste Spiele ausgetragen haben.

Schweizer als Botschafter des Fussballs in Europa

Von nun an kamen auch Deutsche, Franzosen und Italiener in der Schweiz mit dem Fussball in Berührung und exportierten ihn von da in ihre Heimatländer. Mehr noch – vielerorts in Europa verhalfen nun nicht mehr nur englische Expats, sondern vermehrt auch Schweizer dem Fussball zu Populärität. Namhafte Clubs wurden von Auslandschweizern gegründet, so etwa der FC Barcelona: Initiiert wurde dieser von Hans («Joan») Gamper, einem schillernden Pionier des Fussballs in Europa. Geboren in Winterthur, emigrierte er 1898 nach Barcelona und gründete dort mit Gleichgesinnten innert weniger Monate den heute weltbekannten Club. Selber war er von 1899 bis 1903 Stammspieler beim Verein und erzielte dabei traumhafte 120 Tore in 51 Spielen.

Der Schweizer Fussball organisiert sich

In der Schweiz gab es 1895 bereits so viele Vereine, dass eine nationale Liga gegründet werden konnte. Effektiv gespielt wurde dann ab der Saison 1897/98. Von Anfang an mit zum Konzept gehörte die Idee des Sponsorings: Mit «La Suisse Sportive», einer Sportzeitung aus Genf, verfügte die Liga schon damals über einen Hauptsponsor. Gewonnen wurde die erste Meisterschaft übrigens von einem Verein, der heute noch auf nationaler Ebene spielt, nämlich vom Grasshoppers Club Zürich. Diese frühe Phase des Schweizer Fussballs dokumentiert das Jubiläumsvideo, das der Schweizerische Fussballverband 1995 zu seinem 100-jährigen Bestehen veröffentlicht hat.

Das englische Erbe in Namen und Begriffen

Kennzeichnend ist es, dass die Grasshoppers nicht etwa «Heugümper» heissen und die Young Boys nicht «Giele»: In den Namen spiegelt sich, dass Fussball für die ersten Schweizer Clubs ein englischer Sport war. Man ging nicht nur «shooten» (wie man heute im Berndeutschen immer noch sagt, während anderswo «tschutte» daraus geworden ist), auch die Namen vieler Vereine sollten so wie die der englischen Vorbilder klingen. In Anbetracht dessen, dass die englische Sprache damals in der Schweiz noch längst nicht so omnipräsent war wie heute, war diese Bezugnahme den Fans der ersten Stunde zweifellos offensichtlich.

Weitere sprachliche Eigenheiten im Schweizer Fussball zeugen bis heute vom frühen englischen Einfluss. So sprechen die Deutschen vom Torwart, wir aber vom Goalie; dem Eckball ziehen wir den Corner vor und auf den Elfmeter verzichten wir zugunsten des Penaltys. Anfänglich war der Schweizer Fussballjargon sogar noch stärker mit Anglizismen durchsetzt, Stürmer waren «Forwards» und Pause gab es zur «Half-time».

Weshalb ist gerade Fussball so populär?

Vielleicht hast du dich schon gefragt, weshalb Fussball heute in der Schweiz und fast ganz Europa so viel weiter verbreitet ist als andere Mannschaftssportarten. Die Antwort liegt im historischen Vorsprung: Handball, Basket- und Volleyball wurden allesamt erst in den 1890er Jahren, also einige Jahrzehnte nach dem Fussball, reglementiert und vereinheitlicht – Fussballclubs waren damals schon weitverbreitet. Eishockey zwar wurde etwa gleichzeitig wie Fussball normiert, aber gegen das alltagstauglichere «Tschutte» hatte es in wärmeren Gegenden immer einen schweren Stand.

Die Rivalität zwischen Turnvereinen und Fussballclubs

Trotzdem strömten den Fussballclubs in der Schweiz nicht gleich alle Sportbegeisterten in Scharen zu – denn vielerorts gab es auch bereits Turnvereine. Diese sahen in den Fussballclubs eine Konkurrenz, und bis weit ins 20. Jahrhundert hinein herrschten an manchen Orten erbitterte Rivalitäten zwischen den (üblicherweise eher konservativen) Turner:innen und den (progressiveren) Fussballer:innen. Teils mag man das heute noch spüren; berichte in der Kommentarspalte vom Verhältnis zwischen Turnverein und Fussballclub in deiner Ortschaft!

Quelle Titelbild: Adobe Stock Nr. 162365844

Yves Lenzin

Content Marketing Manager

Schreiben ist meine Profession und Leidenschaft. Ich liebe es, mich den unterschiedlichsten Themen und Textformen zu widmen und beim Recherchieren Fachwissen aus allen möglichen Bereichen zu erwerben. Abgesehen davon, dass ich für Brack.Alltron Blog- und Ratgeber-Inhalte verfasse, bin ich auch aktiver Historiker.

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