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Warum wir heute ewig auf neue Staffeln warten

14.11.2025

Es ist fast schon ironisch: Streaming-Plattformen haben uns beigebracht, ganze Staffeln an einem Wochenende zu verschlingen, nur um uns jetzt jahrelang auf Nachschub warten zu lassen. Während wir früher brav eine Woche auf eine neue Folge gewartet haben, wurden wir mit Netflix, Disney + und Co. zu Binge-Wesen. Zwischen zwei Staffeln «Stranger Things» kann man ein Studium abschliessen, ein Haus bauen oder drei Streaming-Abos wieder kündigen. Serien, die einst für sofortige Unterhaltung standen, sind heute kleine Geduldsprüfungen.

Staffelpause: das neue Staffelfinale

Zwischen Staffelstarts vergeht heute gefühlt eine halbe Ewigkeit. Wer «Stranger Things» von Anfang an geschaut hat, weiss, was das heisst: Vor neun Jahren rollten die ersten Velos durch Hawkins und erst diesen Dezember erscheint endlich Staffel 5, nach 1244 Tagen Pause. Auch bei «The Last of Us» heisst es Geduld üben. Nach zweijähriger Wartezeit, soll die nächste Staffel 2026 erscheinen. Auch «Bridgerton» gönnt uns immerhin eine gewisse Regelmässigkeit – alle zwei Jahre eine neue Dosis Regency-Romantik. Bei «Wednesday» wurde die letzte Staffel selbst in zwei Etappen geteilt und man liess uns dort etwas warten. Und die nächste? Noch in weiter Ferne. Selbst grosse Fantasy-Giganten wie «House of the Dragon» oder «The Witcher» testen unsere Ausdauer.

Während heute Serien mit acht Folgen pro Staffel Jahre in der Produktion stecken, lieferte «Friends» in den 90ern jährlich etwa 24 Episoden. Heute fühlt sich jede neue Folge an wie ein kleines Comeback. Das Ironische daran: Streamingdienste haben uns beigebracht, alles sofort zu bekommen – und nun lehren sie uns Geduld.

Warum alles so lange dauert

Das hat mit der Realität der modernen Serienproduktion zu tun. Die Gründe sind vielschichtig und gleichzeitig frustrierend banal. Dreharbeiten dauern länger, Budgets explodieren, Effekte werden komplexer, Drehorte verteilen sich auf mehrere Kontinente. Serien sind heute Prestige-Projekte – filmisch, global und auf Hochglanz poliert. Gleichzeitig wollen Streamingdienste mehr Serien, aber jede soll aussehen wie ein Kinoblockbuster. Das bedeutet: weniger Output und mehr Postproduktion. Dazu kommt, dass Serien heute international funktionieren, auf Social Media gut aussehen und Potenzial für Spin-offs haben müssen. Kurz gesagt: Sie müssen alles können – und das braucht Zeit.

Die Pandemie und die grossen Streiks in Hollywood haben das Problem verschärft. 2023 standen gleich zwei grosse Gewerkschaften monatelang still und die Auswirkungen spüren wir jetzt.

Wenn Kinderdarsteller:innen plötzlich Steuererklärungen machen

Besonders absurd wird die Zeitverschiebung bei Coming-of-Age-Serien. In Staffel 1 von «Stranger Things» spielten sie noch Kinder – in Staffel 5 haben sie im echten Leben teilweise sogar schon eigene. Diese Lücken verändern, wie wir Geschichten erleben, denn die Figuren altern schneller als ihre Handlungen. Die Serie bleibt in der Teenagerzeit stecken, während die Schauspieler:innen längst ganz andere Lebensphasen erreicht haben. Es entsteht eine seltsame Verschiebung zwischen Fiktion und Realität.

Das Paradox des Überangebots

Trotz Wartezeiten mangelt es uns nicht an Auswahl – im Gegenteil. Während wir auf neue Staffeln warten, erscheinen neue Serien. Wir springen zwischen Genres, Ländern und Sprachen. Doch die Flut an Inhalten ersetzt keine emotionale Bindung. Vielleicht ist das der Grund, warum wir das Warten überhaupt aushalten: Wir hoffen auf das eine Gefühl, das keine andere Serie gerade liefert.

Und das Überangebot hat Nebenwirkungen: Viele warten, bis eine Serie komplett oder zumindest eine zweite Staffel verfügbar ist, bevor sie anfangen. Die Folge? Die Einschaltquoten sinken und Streamingdienste entscheiden wiederum, gar keine zweite Staffel zu drehen. Das Ergebnis: unvollendete Serien, Cliffhanger im Nichts und Fans, die sich fragen, ob sie jemals das Ende erfahren werden.

Das Warten als Teil der Serienkultur

Das Warten auf neue Staffeln hat längst eine eigene Kultur geschaffen. Wir diskutieren, spekulieren, scrollen durch Memes und teilen Theorien. Serien sind nicht mehr nur Unterhaltung, sondern gleich ganze soziale Rituale. Vielleicht ist das Warten auf Serien heute das, was früher das gemeinsame Fernsehen war: ein kollektives Innehalten. Und wenn die Serie endlich zurückkehrt, fühlt sich das fast an wie ein Wiedersehen mit alten Freund:innen, die sich verändert haben, aber irgendwie vertraut geblieben sind.

Vielleicht liegt genau darin der Reiz: Serien, auf die man warten muss, bleiben uns länger im Gedächtnis. Sie zwingen uns, Emotionen über Zeit zu halten, statt sie an einem Wochenende zu verschlingen, und das ist in einer Welt der Sofortverfügbarkeit fast schon romantisch. Wenn die neuen Staffeln von «Stranger Things» oder «Wednesday» endlich erscheinen, werden Millionen von Fans dasselbe tun: sich erinnern, neu eintauchen, sich fühlen wie damals. Vielleicht macht gerade das Warten den Moment des Wiedersehens so besonders. Wenn das Netflix-Logo endlich aufleuchtet und die Intro-Musik einsetzt, dann wissen wir, warum wir geblieben sind.

Fazit

Je grösser, teurer und perfekter Serien werden, desto seltener werden sie fertig. Vielleicht wäre die Lösung gar nicht noch mehr Budget, sondern weniger Spektakel. Nicht jede Story braucht Drachen, Explosionen oder Millionen in Spezialeffekten. Einige der besten Serien funktionieren mit kleinen Räumen, starken Dialogen und Emotionen, die man nicht animieren kann. 

 

Quelle Titelbild: Unsplash | Mahrous Houses

Nadine Zumsteg

Marketing Manager Editorial Content

Mit meiner Bucket List aus Kindheitstagen erkunde ich regelmässig neue Orte, Städte oder ganze Länder und geniesse es, die vielfältigen Facetten Europas zu entdecken. Neben meinen Abenteuern in der Ferne ist die Literatur meine grosse Leidenschaft, und ich liebe es, in fesselnde Geschichten und Welten einzutauchen. Wenn ich einmal nicht auf Reisen bin, findet man mich dabei, mit grosser Freude die neuesten Brunch-Spots in meiner Nähe auszuprobieren.

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Wenn du schon warten musst, dann wenigstens gemütlich

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