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Mehr Piranhas, weniger Smalltalk: Warum wir alle ein bisschen Wednesday brauchen

05.08.2025

2022 betrat eine ungewöhnliche Heldin unsere Bildschirme: Wednesday Addams. Mit starrem Blick, bitterböser Schlagfertigkeit und unverkennbarem Gothic-Stil wurde sie in kürzester Zeit zum globalen Phänomen. Die Serie brach Rekorde und eroberte TikTok im Sturm. Warum Wednesday so sehr fasziniert.

Eine Faszination seit über 80 Jahren

Die Geschichte der Addams Family nahm ihren Anfang schon 1938, als der Zeichner Charles Addams seine skurrile und morbide Familie erstmals als Cartoon im «New Yorker» veröffentlichte. Die Addams waren eine bitterböse Satire auf das amerikanische Familienideal: düster, exzentrisch, aber doch liebenswert.

Seither wurde sie zum popkulturellen Phänomen: Schwarz-Weiss-Serie in den 1960ern, kultige Kinofilme in den 1990ern und jetzt ein Netflix-Spin-off. Über acht Jahrzehnte später ist die Faszination ungebrochen, «Wednesday» stürmte in der ersten Woche in 83 Ländern auf Platz eins. Mittlerweile ist sie laut Netflix sogar die meistgesehene englischsprachige Serie aller Zeiten.

Der Netflix-Ansatz

Indem Netflix den Fokus auf die ikonische Tochter der Addams Family legt, gelingt der Serie ein raffinierter Spagat zwischen zeitlos düsterem Charme und modernem Coming-of-Age.

Das Setting der Serie ist uns dabei durchaus vertraut: eine Schule für junge Menschen mit besonderen Fähigkeiten, magische Kreaturen und dunkle Geheimnisse. Wer mit 13 sehnsüchtig auf einen Brief aus Hogwarts hoffte, fühlt sich sofort zuhause – zumindest bis Wednesday auftaucht.

Denn während bei Harry Potter ein Auserwählter im Zentrum steht, ist Wednesday das Gegenteil: eine selbstgewählte Aussenseiterin. Konsequent verweigert sie sich sozialen Erwartungen, emotionaler Nähe und digitalen Likes. Ihr Urteil über Social Media? «Ein seelensaugender Hohlraum der bedeutungslosen Bestätigung.»

Aussenseiterin unter Aussenseiter:innen

Die allererste Szene der Serie bringt Wednesdays Charakter direkt auf den Punkt: Als ihr kleiner Bruder an der Schule von Polo-Spielern gemobbt wird, wirft Wednesday eine Tüte voller Piranhas ins Schwimmbecken – und stellt klar: «Ich bin die Einzige, die meinen Bruder foltern darf.»

Danach geht's an die Nevermore Academy, einem Internat für sogenannte «Outcasts». Wer hier landet, passt nicht in die Norm; Werwölfe, Sirenen, Medusen und mehr finden hier ihren Platz. Doch selbst unter den Unangepassten bleibt Wednesday eine Aussenseiterin. Und doch beginnt im Verlauf der ersten Staffel eine leise Entwicklung – eine Annäherung an Freundschaft und vielleicht sogar an sich selbst. Eine klassische Coming-of-Age-Geschichte könnte man meinen – doch «Wednesday» ist mehr als das.

Teen-Drama trifft Tim Burton

«Wednesday» schafft es, Genres geschickt zu mischen und dadurch weit über ihr vermeintlich jugendliches Zielpublikum hinaus zu begeistern.

Da sind zum einen die vertrauten Highschool-Elemente: Cliquen, erste Flirts, Eifersüchteleien und natürlich der unvermeidliche Schulball. Dieser lieferte dann auch die viralste Szene der Serie: Wednesdays unvergesslicher, eigensinniger Tanz wurde millionenfach auf Social Media nachgeahmt – sogar Madonna und Lady Gaga machten mit.

Doch auch Fans des Düsteren kommen auf ihre Kosten. Tim Burton, Meister des Morbiden, führte bei den ersten vier Folgen Regie und hinterliess seine unverwechselbare Handschrift. Die Serie schreckt nicht vor Horror-Elementen zurück, lässt Spannung aufkommen und bringt das Publikum zum Miträtseln: Wer ist das Monster? Wem kann man trauen?

Und dann ist da natürlich noch Wednesdays unvergleichlich sarkastischer Humor. Als sie entführt wird und sich selbstverständlich selbst befreit, kommentiert sie trocken: «Amateure wie ihr ruinieren den Ruf des Kidnappings.»

Embrace Your Weirdness

Die Serie wird ganz klar getragen von ihrer Hauptfigur. Wednesday Addams steht wie kaum eine andere Serienfigur für Anderssein, Unangepasstheit und kompromisslose Eigenwilligkeit. Sie ist introvertiert, direkt, anti-sozial und völlig unbeeindruckt davon, was andere von ihr halten. In einer Welt, die ständig nach Anpassung, Likes und Selbstoptimierung schreit, ist das erfrischend radikal.

Sie tanzt, wie es ihr gefällt. Sie spricht aus, was andere nur denken. Und sie erfüllt keine Erwartungen, ausser ihren eigenen. Besonders jungen Frauen, die sich selbst als Aussenseiterinnen fühlen, finden in ihr ein Vorbild – eine Figur, die ihnen zeigt: Es ist okay, anders zu sein.

Dabei ist Wednesday keinesfalls ein eindimensionaler Charakter. Sie liebt das Düstere, aber sie ist auch getrieben von einem tiefen Gerechtigkeitssinn. Sie kämpft für andere Aussenseiter:innen, stellt sich dem Bösen und beginnt (wenn auch zögerlich) Freundschaften zu knüpfen. Wednesday öffnet sich, entwickelt sich weiter und bleibt sich dennoch treu. Und genau das macht sie zu einer erfrischenden (Anti-)Heldin.

Die perfekte Besetzung

Zugegeben: «Wednesday» bekam nicht nur Lob. Zu vorhersehbar, zu viel Highschool-Drama und das Monster eher Cartoon als Gänsehaut. Doch über eines waren sich fast alle einig: Jenna Ortega ist Wednesday Addams. Mit ihrer mühelosen Coolness, der trockenen Art, Dialoge abzuliefern, und ihrer eiskalten Präsenz zieht Jenna Ortega das Publikum in ihren Bann.

Vielleicht, weil sie mehr mit Wednesday gemeinsam hat, als man denkt. Ortega bezeichnet sich selbst als introvertiert, liebt schwarzen Humor und ist dem Horrorgenre nicht fremd. Bereits vor «Wednesday» war sie in Filmen wie «X» und «Scream» zu sehen.

Mit dem Wahnsinnserfolg von Wednesday hatte Jenna Ortega trotzdem zu kämpfen. Die plötzliche Aufmerksamkeit und der Druck, der mit dem Erfolg der Serie aufkam, waren intensiv. Ortega versuchte sich dem Rampenlicht ein Stück weit zu entziehen. Sie kaufte sich ein Klapphandy und dachte über eine Auszeit nach. Darauf angesprochen, was wohl Wednesday vom ganzen Hype um die Serie halten würde, meint Ortega: «Sie ist auf Tassen und T-Shirts – oh Mann, sie würde es hassen.»

Die zweite Staffel greift diese Meta-Ebene augenzwinkernd auf: Im Trailer zur neuen Staffel trifft Wednesday in Nevermore auf ihren eigenen Fanclub. Das ironische Potenzial scheint auch in der nächsten Staffel nicht ausgeschöpft. Und sonst? Der Trailer verspricht Mystery, Freundschaft, ein paar makabere Twists – und natürlich «Thing», das eiskalte Händchen, das schon in Staffel eins allen die Show gestohlen hat. 

Ein bisschen mehr Wednesday für alle

In der zweiten Staffel wird Jenna Ortega nicht nur erneut in die Hauptrolle schlüpfen, sondern auch als Co-Produzentin mitwirken. Wir dürfen gespannt sein, welche neuen Seiten der ikonischen Figur sie uns zeigt – aber eines ist so gut wie sicher: Sie wird ihrer eigensinnigen Art treu bleiben. Und das ist es, was Wednesdays Charme ausmacht. Sie sagt, was andere sich nicht trauen. Sie ist anders und stolz darauf.

Wenn wir also das nächste Mal höflich lächeln, obwohl uns innerlich eher nach Piranhas im Schwimmbecken zumute ist, denken wir an sie. Und wünschen uns leise: Ein bisschen mehr wie Wednesday – das wär's.

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    Quelle Titelbild: Sora AI

    Eliane Lee

    Content Marketing Manager

    Ich liebe es, in andere Welten einzutauchen, sei es durch spannende Geschichten, mit Reisen in ferne Länder und Kulturen oder in meinem eigenen kleinen Garten – ich bin immer auf Entdeckungsreise. Und wenn es Zeit wird, die Seele baumeln zu lassen, findet ihr mich auf der Yogamatte oder mit einem guten Buch in der Hand.

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