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Warum wir Türchen öffnen: Die Geschichte des Adventskalenders

27.10.2025

Der Adventskalender gehört für viele genauso zu Weihnachten wie Guetzli, Kerzenlicht und «Last Christmas» im Radio. Ob als bunter Karton mit Türchen, selbst gebastelten Überraschungen oder grossem Fenster an einem Rathaus. Er zeigt die verbleibenden Tage bis Weihnachten und verkürzt mit kleinen Freuden die Wartezeit auf das Fest. Ursprünglich aus einer lutherischen Tradition in Deutschland stammend, hat sich der Adventskalender in vielen christlich geprägten Ländern etabliert und begeistert heute Kinder und Erwachsene gleichermassen.

Ursprünge

Seinen Ursprung findet der Adventskalender im 19. Jahrhundert, wo er als Zählhilfe bis Weihnachten verwendet wurde. 1839 entwickelte Johann Hinrich Wichern für Kinder eines Hamburger Heims ein Wagenrad mit Kerzen: dickere für Adventssonntage, kleinere für die übrigen Tage. Daraus entstanden später der heutige Adventskranz und Adventskalender. Erst ab etwa 1851 bastelten Familien eigene Kalender, beispielsweise mit 24 Bildern oder Kreidestrichen an der Wand, die die Kinder täglich entfernen durften. In katholischen Haushalten wurden Strohhalme in die Krippe gelegt, während eine skandinavische Variante das Abbrennen einer Adventskerze nutzte. 

Bis zum Zweiten Weltkrieg

Der erste gedruckte Adventskalender erschien 1902 in Hamburg als Weihnachtsuhr für Kinder mit den Zahlen 13 bis 24. Erst 20 Jahre später gab es Versionen mit 24 Feldern. 1903 brachte der Münchner Verleger Gerhard Lang den Kalender «Im Lande des Christkinds» heraus, bei dem Kinder täglich ein Bild ausschneiden und aufkleben konnten. Gedruckte Kalender wurden zu dieser Zeit auch gerne als Werbegeschenke genutzt.

In den 1920er Jahren erlebten Adventskalender ihre Hochphase: Illustratoren wie Gertrud Caspari und Verlage wie J.F. Schreiber oder Anton Jaser gestalteten Abreisskalender, Himmelsleitern oder Fensterkalender. Moderne Motive, beispielsweise Transportmittel, verdrängten zunehmend religiöse Darstellungen. Gerhard Lang entwickelte zudem frühe Schokoladen-Adventskalender, inspiriert von seiner eigenen Kindheit. Viele Kalender wurden kunstvoll verziert, zunächst mit Kaliglimmer, später mit Aluminium. Die Zentren der Produktion lagen vor allem in Sachsen; etwa Leipzig, Dresden und Zittau, aber auch in Berlin oder Magdeburg. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg wurden sie erfolgreich nach England und Österreich exportiert, oft mit dem Hinweis «Printed in Germany». So entwickelte sich der Adventskalender vom einfachen Zählinstrument zum kunstvollen, teils kommerziellen Produkt, das weltweit Verbreitung fand. 

Der nationalsozialistische Adventskalender

Während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland wurden christliche Weihnachtsbräuche immer mehr verdrängt. Die Kalender wurden politisch verändert: Schon 1933 gab es Exemplare  mit Soldaten auf dem Titel. Weihnachten wurde später in «Julfest» umbenannt, und der Dezember hiess «Julmond». Wegen des Krieges durfte ab 1940 nur noch wenig Papier verwendet werden, und christliche Kalender verschwanden fast ganz.

Wie der Adventskalender in die Schweiz kam 

In der Schweiz blieb Weihnachten dagegen eine christliche Feier. Zwar war der Krieg spürbar, aber viele Traditionen wurden weiterhin gepflegt. In den 1930er Jahren kam der Adventskalender schliesslich auch in die Schweiz. Anfangs war er noch selten, meist handgemacht oder aus Deutschland importiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er immer beliebter. Familien bastelten eigene Kalender, und bald gab es sie auch im Handel zu kaufen.

Heute ist der Adventskalender ein fester Teil der Weihnachtszeit in der Schweiz. Kinder freuen sich jeden Tag über ein Türchen mit Schokolade, Bildern oder kleinen Geschenken. Der Kalender steht dabei für Vorfreude, Zusammenhalt und die Vorbereitung auf Weihnachten.

Nachkriegszeit

Nach dem Zweiten Weltkrieg erwachte in Westdeutschland schnell die Sehnsucht nach einer heilen Welt. Das betraf auch den Adventskalender. Schon 1945 wurden wieder Kalender produziert, oft mit alten Motiven aus den 1930er Jahren, da diese günstig und beliebt waren. Einer der ersten Verlage war der Richard Sellmer Verlag in Stuttgart, der 1946 mit internationalen Ausgaben grosse Erfolge feierte und bis heute familiengeführt ist. Ab den 1950er Jahren wurde der Adventskalender dann zum Massenartikel: Die Türchen zeigten romantische Winterstädte, Krippenszenen oder biblische Geschichten. Neben religiösen Verlagen wie Ars Sacra etablierten sich auch Firmen wie Korsch, die viele Motive einkauften und bis heute anbieten.

Mit der Zeit entstanden immer mehr neue Varianten: Abreisskalender verschwanden zugunsten der bekannten Türchenkalender, und 1958 kam der erste Schokoladenkalender auf den Markt. Später folgten Ausgaben mit Spielzeug, Kosmetik, Tee oder Alkohol. Auch selbstgebastelte Kalender mit Säckchen oder kleinen Geschenken sind bis heute beliebt. Manche reichen sogar bis zum 6. Januar. Trotz moderner Ideen bleiben klassische Motive wie verschneite Städtchen oder die Weihnachtskrippe zeitlos. Adventskalender sind heute nicht nur ein fester Bestandteil der Vorweihnachtszeit, sondern auch ein erfolgreiches Produkt mit grosser Vielfalt und internationaler Tradition.

Fazit

Vom einfachen Zählhilfsmittel bis zum liebevoll gestalteten Ritual – der Adventskalender hat eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen. Was einst dazu diente, Kindern die Wartezeit bis Weihnachten sichtbar zu machen, ist heute ein Symbol der Vorfreude und des Miteinanders. Ob mit Bildern, Schokolade oder kleinen Geschenken – das tägliche Öffnen der Türchen verbindet Generationen und hält eine über 150-jährige Tradition lebendig. So erinnert der Adventskalender bis heute daran, dass das Warten auf Weihnachten nicht nur Zeit überbrückt, sondern Freude schenkt – Tag für Tag. 

 

Quelle Titelbild: Unsplash | Elena Mozhvilo

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Leonie Schneider

Lernende Mediamatikerin

Ob unterwegs in neuen Städten, beim Geniessen von gutem Essen oder in meiner Küche beim Ausprobieren neuer Rezepte – ich liebe es, Neues zu entdecken. Auf Reisen lasse ich mich von neuen Eindrücken inspirieren, während ich beim Kochen und Backen selbst kreativ werde. Den Ausgleich finde ich beim Sport oder wenn ich auf Konzerten in die Musik eintauche. Genauso wichtig sind mir die gemeinsamen Momente mit Freunden, die all das noch wertvoller machen.

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