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Wo ist unsere Konzentration hin?

24.10.2025

Ständig erreichbar, selten wirklich fokussiert: Zwischen Chats, Push-Nachrichten und Kurzvideos fällt es uns immer schwerer, konzentriert bei einer Sache zu bleiben – mit Folgen für Produktivität und Wohlbefinden. Doch was passiert da eigentlich in unserem Kopf, und was hilft uns, konzentrierter zu bleiben?

Bei Serien überspringe ich das Intro, Sprachnachrichten höre ich in doppelter Geschwindigkeit und abends im Bett scrolle ich durch 8-sekündige Videos. Gerade am Handy springt meine Aufmerksamkeit oft von einem Punkt zum anderen: kurz eine Nachricht beantworten, News checken, zurück zu den herzigen Hundevideos – ein bisschen wie Maiskörner in der heissen Pfanne. 

«Popcorn Brain» – also «Popcorn-Hirn» – nennt der Computerforscher David M. Levy dieses Phänomen. Eine Metapher für die Reizüberflutung und das ständige Multitasking in der digitalen Welt. Es scheint also nicht nur mir so zu gehen. Doch können wir uns tatsächlich immer schlechter auf eine Sache konzentrieren? 

In meiner Recherche stosse ich auf eine Forscherin, die sich seit Jahren mit dem Thema Aufmerksamkeit befasst. Ich erfahre, dass Multitasking eine Illusion ist – und, wie Social Media gezielt um unsere Aufmerksamkeit buhlt. Doch halt, meine Gedanken (und damit auch diese Zeilen) springen schon wieder von einem Punkt zum nächsten.  Machen wir also einen Schritt zurück und beginnen mit einer einfachen Frage:

Nimmt unsere Konzentrationsfähigkeit tatsächlich ab?

Genau mit diesem Thema beschäftigt sich die Psychologin und Informatikprofessorin Gloria Mark schon seit Jahren. Im Rahmen ihrer Forschung misst sie, wie lange Menschen am Computer an einer Aufgabe bleiben, bevor sie zu einem anderen Fenster oder Tab wechseln. 2004 lag dieser Wert noch bei durchschnittlich 2.5 Minuten. 2012 waren es nur noch 75 Sekunden, und in den letzten Jahren ist er auf gerade einmal 47 Sekunden gesunken. Wir springen also immer schneller zwischen Aufgaben hin und her. Besonders oft passiert das, wenn wir vermeintliches «Multitasking» betreiben. 

Der Mythos vom Multitasking

Tatsächlich funktioniert Multitasking nur, wenn eine der Aufgaben komplett automatisch abläuft – etwa, wenn wir beim Gehen eine Nachricht lesen. Erfordern beide Aufgaben geistige Aufmerksamkeit, scheint es nur so, als ob wir zwei Dinge gleichzeitig tun. In Wahrheit wechseln wir blitzschnell zwischen ihnen hin und her. 

Und das hat Folgen: Im Fachjargon spricht man von «Switch Costs», den Kosten des Aufgabenwechsels. Damit ist der Zeitverlust gemeint, der entsteht, wenn wir unsere Aufmerksamkeit neu ausrichten müssen. Nach jedem Wechsel braucht es einen Moment, um sich wieder zu orientieren. Doch nicht nur die Produktivität leidet; laut Gloria Mark geht das ständige Hin- und Herwechseln häufig mit Stress einher. 

Warum aber fällt es uns immer schwerer, uns auf eine Sache zu konzentrieren? Die Wissenschaftlerin sieht die Gründe in unserem zunehmend digitalen Alltag: E-Mails, die uns bei der Arbeit unterbrechen, Chat-Nachrichten, die uns ablenken, oder Push-Benachrichtigungen, die um unsere Aufmerksamkeit buhlen.

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Multitasking? In den allermeisten Fällen eine Illusion. Quelle: Unsplash | Austin Distel

Wie Social Media unsere Aufmerksamkeit steuert

Nicht alles erregt in gleichem Mass unsere Aufmerksamkeit. In der Psychologie spricht man von sogenannten salienten Reizen. Das sind Reize, die aus ihrer Umgebung hervorstechen, weil sie neuartig, unerwartet oder ungewöhnlich sind, unser Blickfeld dominieren oder für unsere Ziele relevant wirken. Social-Media-Plattformen nutzen genau diese Mechanismen, um unsere Aufmerksamkeit zu fesseln: Push-Nachrichten ploppen auf, Benachrichtigungen leuchten als rote Kreise auf dem Appsymbol und neue Likes oder Nachrichten machen sich mit einem Signalton bemerkbar.

Ein Begriff, der in diesem Zusammenhang immer wieder fällt, ist Dopamin. Der Neurotransmitter motiviert uns zu Dingen, von denen wir uns Belohnung oder Vergnügen versprechen. Er bringt uns dazu, Pizza zu bestellen, wenn wir hungrig sind – oder eben Instagram zu öffnen, wenn wir eine neue Nachricht oder ein Like erwarten. Laut der amerikanischen Psychologin Susan Weinschenk reagiert unser Dopaminsystem besonders empfindlich auf Signale, die eine Belohnung ankündigen. 

Vielleicht öffnest du Instagram und Co. manchmal auch ganz automatisch, selbst ohne neue Benachrichtigung. Kein Wunder: dein Hirn sucht den nächsten kleinen Dopamin-Kick. Kaum ist die App geöffnet, geraten wir leicht in den Sog des endlosen Scrollens und Swipens. Dabei bleibt das Belohnungszentrum ständig aktiv und der Körper schüttet fortlaufend Dopamin aus. Die Psychiaterin Anna Lembke vergleicht Social-Media-Konsum sogar mit einem Drogenrausch: Der ständige Griff zum Handy kann süchtig machen. 

So findest du deine Konzentration wieder

Wie steht es um deine Konzentration? Hast du diesen Text bisher konzentriert gelesen – oder ist deine Aufmerksamkeit zwischendurch zu deiner mentalen To-do-Liste gesprungen? Oder hast du vielleicht sogar kurz eine WhatsApp-Nachricht beantwortet? 

Die gute Nachricht: Auch wenn Social Media unsere Aufmerksamkeit mit Benachrichtigungen, Memes und Kurzvideos in Dauerschleife herausfordert, gibt es Möglichkeiten, deine Konzentrationsfähigkeit zu verbessern.

Ein einfacher, aber wirksamer Anfang: Lege dein Handy in einen anderen Raum, wenn du konzentriert arbeiten willst. Eine Studie zeigt, dass ein Handy in unserer Nähe – ob in Sichtweite oder in der Tasche – die Konzentrationsfähigkeit beeinträchtigen kann. Auch kleine Tricks helfen: Entferne ablenkende Apps vom Startbildschirm oder schalte Benachrichtigungen aus, damit der Griff zum Handy nicht ganz so leichtfällt.

Eine weitere Möglichkeit ist, Dinge zu tun, die dich ganz einnehmen. Der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi nennt diesen Zustand «Flow». Er entsteht, wenn eine Aufgabe uns fordert, aber nicht überfordert – also genau das richtige Mass an Herausforderung mit sich bringt. In diesem Moment vergessen wir Raum und Zeit und konzentrieren uns komplett auf die Tätigkeit. Flow erleben viele bei kreativen Tätigkeiten wie Malen, Musizieren oder Schreiben, aber auch beim Kochen, Sport oder Gärtnern kannst du in einen Flow kommen. 

Und schliesslich müssen wir akzeptieren, dass niemand immer voll konzentriert sein kann. Jeder Mensch braucht Pausen. Sie sind kein Zeichen von Schwäche, sondern eine Voraussetzung für Fokus. Sie helfen uns, mit neuer Energie weiterzumachen. Wichtig dabei: Mach die Pausen bewusst – steh auf, beweg dich, atme tief durch. 

Wenn deine Gedanken also das nächste Mal wie Popcorn springen, weisst du, was du brauchst: weniger Katzenvideos in Endlosschlaufe, mehr Flow, Fokus und ab und zu eine kleine Pause.  

 

Quelle Titelbild: Unsplash | Yasmina H

Eliane Lee

Marketing Manager Editorial Content

Ich liebe es, in andere Welten einzutauchen, sei es durch spannende Geschichten, mit Reisen in ferne Länder und Kulturen oder in meinem eigenen kleinen Garten – ich bin immer auf Entdeckungsreise. Und wenn es Zeit wird, die Seele baumeln zu lassen, findet ihr mich auf der Yogamatte oder mit einem guten Buch in der Hand.

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