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Schäfchen zählen – was dahintersteckt und ob es hilft

16.06.2025

Es ist Nacht, und wieder mal kannst du nicht schlafen. Du schaust auf die Uhr. Halb drei. Augenblicklich schiesst dein Puls in die Höhe – schliesslich musst du bereits in fünf Stunden aufstehen und hast noch kein Auge zugetan. Dein Körper spannt sich an. Deine Gedanken kreisen. Wie gingen nochmal die Schlaftechniken, von denen du schon so oft gehört und gelesen hast? Bewusste Atmung war eine, Muskelentspannung eine andere. Und; ach ja! Schäfchen zählen. Aber lohnt es sich überhaupt, das in Betracht zu ziehen?

Laut einer Gesundheitsbefragung des Bundesamts für Statistik (BfS) litt 2022 rund jede dritte Person der schweizerischen Bevölkerung unter Schlafproblemen. Dabei waren Frauen um 8 % häufiger betroffen als Männer. Die meisten hatten mit mehrmaligem Erwachen in der Nacht und unruhigem Schlaf zu kämpfen. Einschlafprobleme hingegen belegen den dritten Platz: 11 % der Befragten gaben ein häufiges Auftreten an, 28 % ein gelegentliches, und 44 % ein seltenes. Das sind insgesamt 83 %.

Schlafprobleme sind keine Einzelfälle, sondern regelrecht eine Volkskrankheit. Hinzu kommt, dass es sich dabei leider um eine handelt, die laufend zunimmt. Gemäss der Umfrage ist der Anteil an betroffenen Personen in der Zeitspanne von 1997 bis 2022 um 5 % gestiegen. Gegeben hat es Schlafstörungen anscheinend schon immer, und entsprechend ist es nicht weiter verwunderlich, dass das Schäfchenzählen-Prinzip Jahrhunderte zurückreicht.

Woher kommt das eigentlich, dieses Schäfchenzählen?

Wie bei vielen Redewendungen und Bräuchen ist auch hier der Ursprung eher unscharf – oder sollten wir lieber unschaf sagen? Wie dem auch sei: Ratschläge dieser Arten werden laufend wiederholt und von Generation zu Generation weitergegeben, ganz wie ein Ammenmärchen. Aktuell wird davon ausgegangen, dass die Wurzel dieser altbekannten Praxis in der Routine von mittelalterlichen Schafshirten liegt. Vereinsamt wie sie waren, sollen sie abends ihre Schafe gezählt haben, bis sie schläfrig wurden – oder taten es schlichtweg, um sich ihrer Vollzähligkeit zu vergewissern und dann beruhigt schlafen zu gehen. Belegt sind diese Annahmen jedoch nicht.

Wie weit genau der Brauch zurückreicht, ist nicht bekannt. Literatur und Geschichte legen nahe, dass Schafe bereits im 12. Jahrhundert mit dem Schlaf in Verbindung gebracht wurden. Mit der Zeit ist ein Konzept daraus entstanden: So findet sich in der Literatur des frühen 19. Jahrhunderts erstmals explizit die Vorstellung, dass das Zählen von Schafen beim Einschlafen helfen könnte. Es ist somit auch möglich, dass der Ratschlag der Literatur entsprang.

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Die Annahme, das Schäfchenzählen-Konzept läge der Routine von Schafshirten im Mittelalter zugrunde, ist nicht belegt. Quelle: Adobe Stock | 209555639

Schlaf und Schaf klingen ziemlich ähnlich, nicht? In meinen Recherchen konnte ich jedoch keinen Zusammenhang zwischen den beiden Begriffen finden, auch nicht im Herkunftswörterbuch des Duden-Verlags. Es ist auszuschliessen, dass die Begriffe sich gegenseitig beeinflusst haben. Sie sind nicht miteinander verwandt.

Schäfchen für gute Schläfchen?

Die Behauptung hat sich bis heute gehalten, untermauert wurde sie bisher jedoch nicht. Es gibt nur eine einzige belastbare wissenschaftliche Studie, die in einer Kontrollgruppe den direkten Zusammenhang zwischen dem Zählen von Schäfchen und der Einschlafdauer untersucht hat. Dabei handelt es sich um eine Oxford-Studie aus dem Jahr 2002. Das Ergebnis: Besagte Kontrollgruppe brauchte sogar länger zum Einschlafen als üblich, während eine andere, die sich entspannenden Visualisierungen widmete, im Schnitt 20 Minuten schneller einschlief.

Es könnte also tatsächlich sein, dass dir das Schäfchenzählen beim Einschlafen nicht nur keine Hilfe ist, sondern auch noch den Prozess verzögert. Visualisierungen hingegen scheinen zu wirken. Anstatt Schäfchen zu zählen, solltest du sie dir also lieber friedlich grasend auf einer Wiese vorstellen.

Fazit: Versuche dich lieber an anderen Methoden

Schäfchenzählen ist ein schönes Bild aus Kindertagen, doch wissenschaftlich leider stark umstritten – monotone Ablenkungen halten den Geist womöglich eher wach, statt ihn zu beruhigen. Effektiver sind Techniken, die nachweislich die Entspannung fördern; etwa Visualisierungen, bei denen du dir angenehme Szenen vorstellst, Atemübungen oder progressive Muskelentspannung. Auch pflanzliche Helfer wie Lavendelduft oder eine Tasse Kamillentee können dich beim Einschlafen unterstützen. Weitere Tipps findest du in unserem Ratgeber zum Thema Einschlafprobleme.

Quelle Titelbild: Adobe Stock | 70074575

Duygu Özdemir

Content Marketing Managerin

Wenn ich mal nicht gerade damit beschäftigt bin, meiner literarisch-kreativen Ader freien Lauf zu lassen, stecke ich höchstwahrscheinlich in einem Netflix-Marathon fest («Nur noch eine Folge!»), unterhalte ich mich angeregt über die verschiedensten Themen, lese ein gutes Buch oder fordere mich selbst mit einem neuen Hobby heraus. Meine Wissbegierde kennt keine Grenzen, und hier habe ich die Möglichkeit, sie auszuleben und mit anderen zu teilen.

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