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Gesichtsroutine, Giraffenschlaf und Safran im Wasserglas: Mein langer Weg ins Bett

12.08.2025

«Sieben bis acht Stunden Schlaf, idealerweise vor Mitternacht, wären perfekt für mich», sagen «Google», «ChatGPT» und meine Fitnessuhr, die mich jeden Abend um halb elf sanft ans Zubettgehen erinnert. Alles gut gemeint, doch in der Umsetzung hapert es gewaltig. Statt zu schlafen, läuft bei mir oft bis weit nach Mitternacht oft ein ganz anderes Programm ab. Es gibt schliesslich viel zu tun: : Schlüssel suchen, Keller aufräumen, Kühlschrank abtauen und auf TikTok die 37 besten Lifehacks für Zahnpasta anschauen.

Es beginnt harmlos wie immer.
Es ist 22:38 Uhr. Ich stehe im Wohnzimmer, starre aufs Handy und denke: «Heute gehe ich wirklich mal vor Mitternacht ins Bett.» Meine Fitness-Uhr wünscht sich das Gleiche und heute bin ich willig. Und trotzdem – ich gehe nicht direkt ins Bett. Natürlich nicht. Denn irgendwo zwischen dem Gedanken «Ich sollte jetzt schlafen» und dem tatsächlichen Zubettgehen lauert eine dunkle Macht. Sie heisst:  

«Nur noch schnell...»

Die Gläser in die Spülmaschine ausräumen. Was eigentlich mit drei Handgriffen erledigt wäre, endet dann in einer Aktion, bei der ich noch den restlichen Reissalat aus dem Sieb klaube und die Gummidichtung des Kühlschranks mit einer alten Zahnbürste reinige. Warum? Keine Ahnung.  

 

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Wenn dich das nächtliche Putzfieber packt... (Bild: Kateryna Hliznitsova I unsplash.com)

Der Kühlschrank ist auch noch da

23:07 Uhr. Die Gummidichtung ist sauber, da entdecke ich im Kühlschrank ein paar schlampige Radiesli, die man noch retten kann. Ich lege sie in ein Glas Wasser und am nächsten Tag sind sie wieder tip top. Und was ist da? Ein Glas mit irgendwas Braungrauem, haltbar bis... oh schon lääängst abgelaufen. Ich werfe es weg und dann ist es auch schon passiert:  Ich fange an, den ganzen Kühlschrank auszuräumen. Waschlappen, Putzmittel, Schubladen raus. Ist es die perfekte Zeit dafür: Nein! Aber ich mach es trotzdem. Mein Hirn ist dagegen, aber meine Hände wischen einfach weiter. Ich finde: drei angebrochene Senftuben, ein Sojasaucenpäckli aus dem Mittelalter und etwas, das wie eine vergessene Kiwi aussieht, aber auch ein verformter Tennisball sein könnte.

 

Die Gesichtsroutine die nie endet

23:38 Uhr. Ich stehe endlich im Bad. Jetzt wäre es eigentlich ganz einfach: Nur noch Gesicht waschen –  Zähne putzen Bett. Wenn da nicht meine recht ausführliche Gesichtsroutine wäre. Ich hole das ganze Arsenal hervor: Reinigungsschaum, mein Anti-Aging-Gerät, Toner, Serum, Nachtcreme, Lippenpflege. Mein Gesicht glänzt jetzt wie eine frisch gewachste Küchenarbeitsfläche. Ich fühle mich so frisch, dass ich noch lange wach sein und ganz viele wichtige Dinge erledigen kann...

 

Der Medizinschrank ruft nach mir

23:56 Uhr. Ich greife nach der Zahnseide und öffne den Schrank an der Wand. Ein fataler Fehler. Denn der Medizinschrank ist ein Museum des Schreckens. Ich finde Medikamente, die schon abgelaufen waren, als ich sie vermutlich das erste Mal ignoriert habe. Ich google: Welche Medikamente kann man getrost auch nach Jahren noch benutzen? Spoiler: Viele Tabletten behalten ihre Wirkung auch nach Jahren, aber bei flüssigen Medikamenten, Zäpfchen oder Augentropfen kann das schnell kippen. Diese besser nicht mehr verwenden.  
Oh, und dann finde ich noch ein paar Beautyprodukte, zu denen mich mal irgendein Reel überredet hat – inzwischen fristen sie ein trauriges Dasein in einem dunkelgrauen Plastikböxli.
Ich sortiere sie aus, wasche die Boxen und freue mich heimlich über einen sehr ordentlichen Badezimmerschrank. Und das um 00:23 Uhr! 

 

Auf dem Weg ins Bett... «oh, schau, der Keller!»

00:25 Uhr. Ich habe das Licht im Flur gelöscht, bin bereit fürs Bett. Da fällt mir ein: Die eine Waschmaschine im Keller, die ist sicher schon seit Stunden fertig. Ich will die Wäsche «nur noch schnell aufhängen». Ich gehe runter – und bleibe hängen. Denn im Keller steht schon ewig auch diese eine Kiste mit den alten Babyklamotten. Ich nehme sie zur Hand. Warum? Niemand weiss es. Aber plötzlich falte ich Strampler in Grösse 56 und schwelge in Erinnerungen.  

 

Endlich im Bett. Also fast.

00:47 Uhr. Ich bin im Schlafzimmer. Wirklich. Ich ziehe die Decke zurück. Und in diesem Moment fällt mir ein: meine Kontaktlinsen! Ich stehe nochmal auf, gehe schnurstracks ins Bad, konzentriert auf diese eine Aufgabe: Die Linsen einfach nur in den Behälter mit Flüssigkeit zu legen. Okay, den Spiegel wische ich noch ganz kurz sauber, dann aber husch ins Bett.  

Die Giraffen sind schuld

00:59 Uhr. Endlich. Es ist geschafft. Nur noch kurz den Wecker stellen und ihr ahnt es schon, stimmts? Ich checke noch rasch Instagram, zuerst meinen Rollerskating-Account. Sehe die Girls am Huntington-Beach entlang cruisen und schwelge in Erinnerungen. Auf meinem Schulplanetchen Account sehe ich witzige Bastelarbeiten für den Sommer und Ideen für das Kleine 1x1. Ich speichere alles in meine Ordner und werde dann noch von süssen Otterbabys überrascht. Der Zoo von Sydney postet eine Giraffenfütterung und ich frage mich plötzlich, wie Giraffen eigentlich schlafen. Im Stehen? Im Liegen? Wie lange überhaupt? Ich google es.
Spoiler: Giraffen schlafen etwa 4,6 Stunden pro Tag, oft stehend, manchmal liegend, aber nur in kurzen Etappen. Ich weiss das jetzt. Ich weiss ausserdem auch, wie Giraffenbabys zur Welt kommen (Fallhöhe: 1,5 Meter, kein Witz). Und ich lande, wie das Internet es so will, über einen Artikel über Tiergeburten bei einem NASA-Video über einen Roboterarm auf dem Mars. Ich schaue es mir in doppelter Geschwindigkeit an, damit das nicht ewig dauert.  Drei Minuten später befinde ich mich tief in einem Reddit-Thread über Sonnenstürme und wie sie Satelliten beeinflussen.

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Nur noch kurz die Welt retten, ein Bastel-Tutorial speichern und Otterbaby-Clips anschauen... (Bild: Adobe Stock 478101710)


«Ich schwöre, ich mach dann das Handy aus. Gleich.»

01:32 Uhr. Ich bin inzwischen in der Wikipedia-Spirale. Ich habe gelesen, wie das James-Webb-Teleskop funktioniert, wie Raumsonden mit Ionenantrieb arbeiten, und warum Pluto kein Planet mehr ist (Spoiler: die Definition wurde geändert, Pluto ist gekränkt und ich bin wirklich müde).
Auf meiner TikTok For You Page bastelt jemand mit Salzteig und Heissleim einen Mini-Vulkan, eine Mutter gibt Safran in ein Glas Wasser, das von unten von der Taschenlampe eines Smartphones beleuchtet wird: Das Baby daneben staunt ob der Magie... Eine Influencerin beschwert sich auf dem Liegestuhl über den schlechten Service im Hotel Empörung als Content. Im Livestream beschimpfen sich derweil zwei ziemlich betrunkene 60-Jährige und Beyoncé tanzt in Paris zum 32. Mal mit Jay-Z auf der Bühne zu «Crazy in Love.» 

Und ich? Ich denke: «Morgen! Morgen gehe ich wirklich einmal früh ins Bett...»


Quelle Titelbild: Andrii Lysenko I stockphoto.com


Kathrin Buholzer

Redaktorin, Bloggerin, zuständig für Familienthemen

Eltern-Bloggerin I Mom von 2 erwachsenen Töchtern I Open Air Fan I Bernerin I Rollerskaterin I Testet sehr gerne Wellnesshotels, Haushalts- und Kosmetikgeräte

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