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Von Cervelat bis Riz Casimir: Der etwas andere Schweizer Gastroführer

14.07.2025

Von landesweit beliebten Klassikern bis hin zu regionalen Geheimtipps hat die Schweizer Küche allerhand zu bieten. Doch auch im Alltag landen typisch schweizerische Dinge auf unseren Tellern – einiges davon ist jenseits der Landesgrenzen sogar völlig unbekannt. Wer das Geheimnis des Schweizer Geschmackssinns ergründen will, muss bestimmte unscheinbare Schlüsselzutaten und -gerichte kennen.

Nein, wir Schweizer:innen leben nicht von Käse und Schokolade allein. Auch schlemmen wir nicht täglich Fondue (schon gar nicht die Deutschschweizer:innen) und ernähren uns nicht ausschliesslich von Rösti (jedenfalls nicht die Romands). Anderes, was hierzulande serviert wird, ist jedoch genauso typisch schweizerisch. Viele der folgenden Dinge suchst du anderswo vergeblich in Restaurants und Supermärkten.

Aromat

Man nehme Salz, Geschmacksverstärker, Milchzucker, Weizenstärke, Hefeextrakt, Zwiebeln, Knoblauch, Kurkuma, weitere Gewürze sowie Öle und Pilzextrakte. Fertig ist das Aromat? Man kann es probieren, das Originalrezept nachzuahmen. Mit einigem Aufwand ist es aber schon verbunden. Und darum ist die kleine gelbe Dose mit der gelben Streuwürze ja so praktisch. Wählst du die Variante mit Maltodextrin und Pastinakenpulver anstelle von Milchzucker und Weizenstärke, sinkt zudem die Wahrscheinlichkeit, dass du oder deine Gäste allergisch darauf reagieren.

In der Schweiz gibt es, ähnlich dem Phänomen der Migros- und der Coop-Kinder, Salz- und Aromat-Kinder – natürlich oft bereits erwachsen. Da Umgewöhnungen schwerfallen und nicht selten misslingen, steht in korrekt geführten Schweizer Beizen das Aromat direkt neben dem Salz auf jedem Tisch – was du natürlich zumindest dann schon weisst, wenn du unseren Blogbeitrag über Schweizer Klischees und Eigenheiten bereits gelesen hast.

Was ist eigentlich so schweizerisch am Aromat und weshalb ist es in Deutschland weitgehend unbekannt? Schliesslich prangt das Knorr-Logo auf der Dose, und dabei handelt es sich um einen deutschen Hersteller. Der aber bekundete während des zweiten Weltkriegs Mühe, so viele Suppenwürfel herzustellen, dass es auch für den Export gereicht hätte. Es war die Gelegenheit für die Schweizer Zweigniederlassung, erfinderisch zu werden und ein eigenes Ersatzprodukt für den Schweizer Markt zu kreieren. Lange brüteten die Lebensmitteltechniker:innen über der Frage, wie die Schweizer Geschmacksnerven stimuliert werden könnten; 1953 war Aromat dann marktreif. Und wer hätte es gedacht: Während die gelbe Streuwürze zwar andere Europäer, Asiaten und Amerikaner kalt lässt, sind die Südafrikaner:innen unsere Brothers and Sisters, denn dort ist Aromat ebenfalls zum Renner avanciert.

Maggi-Würze

Ein paar Gene aus dem nahen Ausland sind noch selten hinderlich gewesen beim Ansinnen, Schweizer:innen geschmacklich mitten ins Herz zu treffen. Auftritt Julius Maggi, Sohn eines geschäftstüchtigen Norditalieners und einer Zürcher Grossratstochter: Mit der Erfindung einer bohnenbasierten Flüssigwürze gelingt ihm 1886 ein Coup. Noch heute soll der vegane Fleischbrühenersatz gleich schmecken wie damals, wenn dies auch niemand mehr bezeugen kann. Erfunden als Mittel gegen Mangelernährung in der damals unerbittlich ausgebeuteten Arbeiterschaft, ist es für hippe Schweizer:innen heute die urchige Alternative zur Sojasauce.

Nimm ein Rezept nach Wahl, ersetze Salz durch Aromat und gib am Schluss etwas Maggi-Würze drüber – und schon hat dein Gericht eine typisch schweizerische Note. Für noch mehr Swissness kannst du sorgen, indem du nicht irgendein Rezept wählst, sondern dich für eine einheimische Kreation entscheidest.

Riz Casimir

Curry, Bananen, Ananas und all das – klingt doch irgendwie nach Südsee oder so! Und hat damit etwa so viel zu tun wie ein Karl-May-Roman mit den amerikanischen Ureinwohner:innen. In der Schweiz funktioniert das aber trotzdem – oder erst recht? Wer genau das Gericht erfunden hat, lässt sich nicht mehr sagen, aber in den 1940er Jahren hatten es bereits mehrere Zürcher Restaurants auf ihrer Speisekarte, bevor es die Mövenpick-Kette ihnen abkupferte. Eines ist ziemlich sicher, Casimir hiess der Erfinder nicht; vielmehr deutet der Name auf die Region Kashmir. Und tatsächlich finden sich dort in der lokalen Küche Gerichte wie das «Kashmiri Fruit Curry». Doch gar nicht so abgefahren also, die Combo.

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Die authentische Vorlage fürs Riz Casimir? Ein Früchtecurry nach indischer Art. Quelle: Adobe Stock Nr. 360900161

Tagliatelle Cinque Pi

Seien es nun Penne, Fusilli, Conchiglie oder eben Tagliatelle – für Italiener:innen mag es einen Unterschied machen, für Schweizer:innen sind Teigwaren gleich Teigwaren, es sei denn, es ginge um Älplermakkaroni. Was für Pasta du nimmst, ist bei dieser Schweizer Kreation also egal, und so musst du nur noch ein paar Wörter italienisch beherrschen, um das Rezept im Nu auswendig zu können. «Cinque Pi» steht nämlich für die fünf «P», die da wären: Pomodori (Tomaten), Panna (Rahm), Pepe (Pfeffer), Prezzemolo (Petersilie) und Parmigiano (Parmesan). Das Rezept ist so einfach zu merken und so schnell umgesetzt – eine Weile lang habe ich es dermassen oft selber gekocht, dass ich es heute nicht mehr leiden kann. Und das, obwohl ich Schweizer bin. Einmal Riz Casimir, bitte!

Cervelat

Es gibt ja Gegenden in der Schweiz, da denken Alteingesessene bei einheimischen Spezialitäten zuerst an Würste, bevor ihnen Käse und Schokolade einfallen. Ein wahres Wurstwunderland etwa ist die Waadt, wo Liebhaber:innen nicht nur dem Saucisson Vaudois, sondern auch dem oft kiloschweren Boutefas frönen. Den geschmacklichen Schweizer Durchschnitt trifft eine andere Wurst jedoch besser: Der Cervelat, von dem jährlich 160 Millionen Stück durch hiesige Mägen gehen. Das sind zwanzig Stück pro Kopf, und falls du da nicht mitmachst, kannst du sicher sein, dass dafür in deiner Nachbarschaft jemand die doppelte Menge konsumiert. Dennoch – als geschmacklichen Höhenflug betrachten den Cervelat die wenigsten. Er ist einfach kaum aus der Schweiz wegzudenken, genauso wenig wie die Cervelatprominenz. Sein Name ist übrigens eine Ableitung von «Cerveau» (französisch für «Gehirn») beziehungsweise «Cervelle» («Hirn» als Speise). Aus der Zutatenliste des Cervelat ist das Hirn aber schon vor längerem gestrichen worden.

Rivella

Am 1. August hat der Cervelat, mit Vorliebe über dem Feuer gebrätelt, gerade Hochkonjunktur. Und was trinkst du dazu? Was, ein Bier? Wäre hier nicht Rivella die richtige Antwort? Denn obgleich es unzählige gute Schweizer Biere gibt – erfunden haben wir es nicht. Rivella hingegen schon. Dieses ist zwar international nicht ganz so populär wie Bier. Dennoch, auch beispielsweise in den Niederlanden schwören viele darauf. Und letztlich steckt hier einfach viel drin von der besten Freundin der Schweizer:innen, der Kuh. Milchserum nämlich ist der Kernbestandteil dieser aussergewöhnlichen Limonade. Dahinter stand in den 1950er Jahren der ausdrückliche Wille des Rapperswiler Studenten Robert Barth, etwas Neuartiges auf den Markt zu bringen – wahrlich ein gelungenes Experiment. Und das zuckerfreie Rivella blau gibt es übrigens schon Jahrzehnte länger als Cola light. Ein Prost auf die Schweiz!

Quelle Titelbild: Adobe Stock Nr. 351633430

Yves Lenzin

Content Marketing Manager

Schreiben ist meine Profession und Leidenschaft. Ich liebe es, mich den unterschiedlichsten Themen und Textformen zu widmen und beim Recherchieren Fachwissen aus allen möglichen Bereichen zu erwerben. Abgesehen davon, dass ich für Brack.Alltron Blog- und Ratgeber-Inhalte verfasse, bin ich auch aktiver Historiker.

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