Microsoft Surface Pro 9 mit SQ3: Innovation mit Risiken
«Surface Pro 9» ist nicht gleich «Surface Pro 9». Die Intel-Version und die SQ3-Variante tragen den gleichen Namen, sind aber verschiedener, als man denkt. Zweitere verwendet nämlich die ARM-Architektur. Das verursachte beim Vorgänger einige Probleme. Wie sieht es mit dem neuen Modell aus? Wir haben ihm auf den Zahn gefühlt.
Unter dem Namen «Surface Pro 9» vermarktet Microsoft im Grunde zwei verschiedene Geräte. Die Intel-Version ist Nachfolgerin des Surface Pro 8. Die SQ3-Version hingegen ist Nachfolgerin des Surface Pro X. Das Pro X, wie auch jetzt das neue Pro 9 mit SQ3-Prozessor, setzt auf die ARM-Architektur und nicht die viel verbreitetere x86-Architektur. Das brachte beim Surface Pro X einige Kompatibilitätsprobleme bei Software und Treibern mit sich. Viele Programme und Peripheriegeräte liefen schlichtweg nicht. Microsoft hat das Experiment aber noch nicht abgeschrieben und versucht, uns mit dem neuen Surface Pro 9 weiterhin ARM-Prozessoren schmackhaft zu machen: Spezielle Features wie die Neural Processing Unit (NPU) für KI-gestützte Kameraeffekte, aber auch 5G-Internet, gibt es nur bei der SQ3-Version. Was taugen diese Spezialfeatures? Wie fühlt sich die Arbeit mit dem Surface Pro 9 an und mit welchen Einschränkungen muss man beim SQ3-Modell rechnen? In diesem Blogbeitrag findet Ihr die Antworten.
Der erste Eindruck
Ich habe nichts anderes erwartet: Wie bei allen Surface-Rechnern ist die Verarbeitung erstklassig. Nahtlose Übergänge, subtil abgerundete Kanten – das Alu-Unibody-Gehäuse des Surface Pro 9 ist robust, schnörkellos und edel. Beim Lieferumfang beschränkt sich Microsoft aufs Allernötigste: Tablet, Netzkabel und Netzteil. Wer mit Eingabestift arbeiten oder den Rechner als Laptop mit Tastatur verwenden möchte, muss den Surface Slim Pen oder das Signature Keyboard separat kaufen – zusammen ein Aufpreis von fast 200 Franken. Wir testen den Rechner in Vollausstattung mit Stift und Tastatur.
Die technischen Daten im Überblick
Auch wenn beide Modelle den gleichen Namen tragen, ist es beim Surface Pro 9 wichtig, sich im Voraus mit den Unterschieden vertraut zu machen, da sie längst nicht nur die Leistung betreffen. Hier der Überblick:
Modell | Surface Pro 9: Intel | Surface Pro 9: SQ3 |
---|---|---|
Prozessor | Intel Core i5 oder i7 (12. Gen.) | Microsoft SQ3 (Qualcomm) mit NPU |
Architektur | x64 (x86-64) | ARM |
Kühlung | Aktiv (Lüfter) | Passiv (lüfterlos) |
Arbeitsspeicher | 8 bis 32 GB LPDDR5 | 8 bis 16 GB LPDDR4x |
Massenspeicher | 128 GB bis 1 TB SSD (austauschbar) | 128 bis 512 GB SSD (austauschbar) |
Akkulaufzeit (gemäss Hersteller) | bis 15.5 Stunden | bis 19 Stunden |
Sicherheit | TPM 2.0 | Microsoft Pluton |
Kamera-Zusatzfunktionen | Gesichtserkennung | Gesichtserkennung und KI-basierte Features (Auto-Framing, Eye-Contact, Portrait-Background, Voice Focus) |
USB-Anschlüsse | 2x USB-C (Thunderbolt 4) | 2x USB-C (3.2 Gen. 2) |
Mobilfunk-Internet | nicht verfügbar | 5G |
Betriebssystem | Windows 11 | Windows 11 für ARM |
Erhältliche Farben | Saphirblau, Waldgrün, Platin, Graphit | Platin |
Unser Testmodell hat folgende Spezifikationen:
- SQ3 Octa-Core-Prozessor (bis 3 GHz) mit Neural Processing Unit und Adreno 8CX-G3-Grafikeinheit
- 16 GB LPDDR4x-Arbeitsspeicher und 512 GB SSD
- 13"-Touchdisplay mit 2880 x 1920 px Auflösung, 120 Hz Bildwiederholrate und Unterstützung für aktive Eingabestifte
- 5G-Mobilfunk-Internet, 802.11ax WLAN, 2x USB Typ-C (3.2 Gen. 2), «Surface Connect»-Dockinganschluss
- 10 Mpx-Rückkamera (Autofokus, 4K-Video) und 5 Mpx Frontkamera (unterstützt Gesichtserkennungs-Authentifizierung und KI-gestützte Kameraeffekte)
Die grösste Besonderheit ist sicher der Prozessor. Der verbaute SQ3-Chip ist eine Spezialanfertigung von Qualcomm, basierend auf dem Snapdragon 8cx Gen. 3 – im Grunde ein aufgemotzter Mobil-Prozessor, der sehr viel höhere Effizienz und Akkulaufzeit verspricht als der Intel-Chip. Er verwendet im Gegensatz zur Intel-Variante nicht die x86- sondern die ARM-Architektur, was je nach Software gewisse Einschränkungen bringt – dazu später mehr. Er verfügt ausserdem über eine Neural Processing Unit (NPU) – eine Art Zusatzprozessor, der Anwendungen mit künstlicher Intelligenz (KI) beschleunigt. Das ermöglicht eine Handvoll spezieller Kamera-Funktionen. Internet über 5G-Mobilfunk-Netze gibt es ebenfalls nur beim SQ3-Modell.
Anschlüsse und Verbindungsmöglichkeiten
Für ein Tablet sind die Verbindungsmöglichkeiten respektabel: Drahtlos kommuniziert das Surface Pro 9 lokal im Wi-Fi-6-Standard (802.11ax) und Bluetooth 5.1. Unser SQ3-Modell unterstützt auch 5G für schnelles Internet übers Handynetz – wahlweise mit einer Nano-SIM oder eSIM. Praktisch: Die Steckplätze für die SIM-Karte und die SSD erreicht man ganz einfach über eine Wartungsklappe an der Rückseite des Gehäuses.
Bei den physischen Anschlüssen gibt's zwei USB-C-Anschlüsse und den Microsoft-eigenen Surface-Connect-Anschluss. Letzterer dient der Stromversorgung und zur Verbindung mit Surface-Dockingstationen. Die beiden USB-C-Anschlüsse haben bei Intel-Modellen den Thunderbolt-4-Standard, beim SQ3-Modell "nur" USB 3.2 Gen 2 (10 Gbps). Positiv: Auch die USB-C-Anschlüsse des SQ3-Modelles unterstützen PowerDelivery zur Stromversorgung und DisplayPort-Alt-Mode für USB-C-Docks und externe Displays. Ich konnte das Surface Pro 9 problemlos mit meinem Thunderbolt-Dock und zwei zusätzlichen Bildschirmen verwenden. Der beim Vorgänger noch vorhandene 3.5-mm-Kopfhöreranschluss wurde aber weggespart.
Bedienung und Display
Microsoft hat erneut bewiesen, dass man etwas von Displays versteht. Das 13"-Display löst mit 2880 x 1920 Bildpunkten auf. Es kann 100% des sRGB-Farbraums wiedergeben und liefert einen nativen Kontrast von 1200:1. Die maximale Helligkeit liegt bei sehr guten 450 cd/m², wodurch man die Bildinhalte auch bei hellem Tageslicht problemlos erkennt. Die Bildschirmoberfläche ist aber nicht entspiegelt. Sehr gut gefällt mir die flüssige Bildwiederholrate. Während die meisten handelsüblichen Bildschirme noch mit 60 Hz vor sich hinflackern, sind es beim Surface Pro 9 satte 120 Hz. Den Unterschied merkt man deutlich: weichere Cursor-Bewegungen, flüssigeres Scrollen und praktisch verzögerungsfreie Touch-Eingaben mit Finger und Eingabestift.
Stichwort Eingabestift: Der Surface Slim Pen funktioniert einwandfrei: Ob langsame, präzise Linien oder schnelle, schludrige Notizen – sie alle manifestieren sich sofort und präzise auf dem Display. Unterschiede im Druck zeigen sich, wie bei einem echten Stift, in unterschiedlich dicken Linien. Auch die Ergonomie passt: Der integrierte Klappständer erlaubt ein Absenken des Displays fast bis in die Horizontale in eine leicht geneigte Position, die zum Zeichnen sehr angenehm ist. Durch die Handballenerkennung kann die Hand dabei problemlos auf dem Display ruhen, ohne, dass dadurch Fehleingaben entstehen.
Auch an der Tastatur habe ich wenig auszusetzen. Das passende Surface Signature Keyboard kommt mit Tasten in guter Grösse und mit genügend Abstand zueinander. Der Auslösepunkt liegt bei ziemlich genau 1 mm, ist gut spürbar und trotzdem angenehm leise. Die Tastaturbeleuchtung ist hell genug, dass man sie auch bei Tageslicht sieht. Das Touchpad ist präzise, dürfte aber etwas grösser sein. Das An- und Abdocken der Tastatur geht dank magnetischen Steckverbindern ganz leicht. Ich muss die Tastatur nur in die Nähe des Tablets halten und sie findet ihren Weg wie von allein zu den Anschlussbuchsen. Gleich verhält es sich auch mit der Nische für den Surface Slim Pen Eingabestift. Sie hält den Stift magnetisch und lädt ihn auch gleich auf.
Ein kleiner Wermutstropfen: Die Tastatur funktioniert nur, wenn sie angedockt ist. Das hat zwar den Vorteil, dass ich mich nicht mit leeren Tastatur-Akkus oder Batterien rumschlagen muss. Andererseits wäre eine Bluetooth-Funktastatur, die ich auch separat vom Tablet verwenden kann, in manchen Situationen praktischer. So könnte ich mit einer Funktastatur den Tablet-Modus zum Zeichnen verwenden und die Tastatur gleichzeitig, unabhängig vom Tablet, für Tastenkürzel in meiner Bildbearbeitungssoftware verwenden.
Die Webcam: professioneller Auftritt unter den widrigsten Bedingungen
Wirklich beeindruckend und – leider – dem SQ3-Modell vorbehalten sind die KI-gestützten Features der Webcam. Dazu gehört der «Portrait Background Blur», das Verschwimmen des Hintergrundes, das man aus Videocalling-Software wie Teams oder Zoom kennt – nicht weltbewegend, aber etwas schöner, als man es sich aus der Software gewohnt ist. Weiter bietet das Tablet «Automatic Framing», was manche vielleicht auch schon von besseren Konferenzraum-Kameras kennen: Die Kamera folgt dem Nutzer und rückt ihn in den Mittelpunkt. Spezieller ist da schon «Eye Contact»: Dieses Feature verändert das Bild so, dass es aussieht, als würde man direkt in die Kamera und damit die Augen des Gesprächspartners blicken, womit sich das Videogespräch persönlicher anfühlen soll. Das grösste Highlight ist aber «Voice Focus»: Dieses Feature rechnet mit beeindruckender Effektivität alle Hintergrundgeräusche weg, so dass der Gesprächsteilnehmer nur den Benutzer sprechen hört. Das ist sehr praktisch und funktioniert auch in lauten Umgebungen. Seht selbst:
Leistung und Software
Normalerweise würde ich in einem Review wie diesem ein paar Benchmark-Tests laufen lassen, um vergleichbare Rückschlüsse hinsichtlich Leistung ziehen zu können. Die wären aber beim SQ3-Modell nicht aussagekräftig. Wie schon beim Abschnitt zu den technischen Daten angesprochen, unterscheiden sich die Intel- und die SQ3-Modelle technisch recht stark: Die Intel-Varianten verwenden die verbreitete x86-Architektur, für die es praktisch immer Software- und Treiberunterstützung gibt. Das SQ3-Modell hingegen basiert auf der ARM-Architektur. Damit die Software auf dieser ausgeführt werden kann, muss sie entweder direkt für die ARM-Architektur geschrieben sein oder emuliert, also gewissermassen für den Prozessor «übersetzt», werden. Es gibt drei Szenarien:
- Die Software läuft schnell und einwandfrei. ARM-native Apps, also Software, die für ARM64 geschrieben oder portiert wurde, laufen sehr gut. Das ist aber eher die Ausnahme als die Regel. Die gute Nachricht: Für die ganze Microsoft-Office-Palette, den Edge-Browser und auch einige grössere Drittanbieter-Anwendungen wie Photoshop gibt es ARM-Versionen.
- Die Software läuft langsamer. Das ist oft der Fall, da die meisten Programme für x86 geschrieben werden und für ARM emuliert werden müssen. Dabei geht Leistung verloren, wodurch sich die Anwendung langsamer anfühlt als unter einem x86-Prozessor. Und das nicht nur bei besonders anspruchsvollen Apps: Auch bei relativ anspruchsloser Software wie dem Chrome Browser habe ich den einen oder anderen Ruckler feststellen müssen.
- Die Software läuft gar nicht. Zum Glück ist das viel seltener der Fall als damals beim Surface Pro X unter Windows 10. Das Surface Pro 9 mit SQ3 und Windows 11 kann x86-Software emulieren und damit fast alles irgendwie zum Laufen kriegen. Lediglich Software, die auf ARM64-Treiber angewiesen ist (z.B. Virtualisierungs-, Druck- oder PDF-Software), aber auch einige Games und Grafiksoftware, die OpenGL-Versionen höher als 3.3 benötigen, verweigern den Dienst komplett.
Es lohnt sich auf jeden Fall, sich im Voraus schlau zu machen, ob es für die bevorzugte Software ARM-Versionen gibt, wenn man nicht bei Microsoft-Anwendungen bleiben will. Wenn nicht, wird man zumindest jetzt noch mit weniger Leistung leben müssen.
Fazit: Glücklich wird, wer richtig wählt
Das Surface Pro 9 ist ein gelungener Tablet-Computer mit erstklassiger Verarbeitung und einem der besten Touchdisplays überhaupt. Mit der passenden Tastatur und dem Eingabestift lässt es sich auch gut als Notebook oder Grafiktablet verwenden. Ich rate aber allen Interessierten, sich im Voraus zu überlegen, ob man die SQ3-Variante wählt oder doch lieber auf Nummer sicher geht und Intel bevorzugt, auch wenn man dafür auf die speziellen Kamera-Features, 5G und etwas Akkulaufzeit verzichtet – nicht nur wegen der reibungsloseren Kompatibilität mit Dritthersteller-Software, sondern auch der Tatsache, dass die Intel-Varianten mit dem Upgrade auf Intel Core Prozessoren der zwölften Generation (Alder Lake) bei der Performance die Nase weit vorne haben.
Wer hauptsächlich mit entsprechend optimierter Software wie Office-Programmen arbeitet, maximale Mobilität – also Mobilfunk-Internet und längere Akkulaufzeit – verlangt und die speziellen Video-Funktionen der Webcam zu schätzen weiss, denen kann ich die SQ3-Variante mit gutem Gewissen empfehlen. Wer mit unterschiedlichster Software arbeitet, maximale Leistung und Kompatibilität verlangt und damit leben kann, beim Videocall an einem besonders lauten Ort ein Headset überstreifen zu müssen, ist mit dem Intel-Modell besser bedient.