
Wenn Stress auf die Verdauung schlägt
Übelkeit vor dem Vorstellungsgespräch, ständig auf Toilette vor einer wichtigen Prüfung oder Sodbrennen in hektischen Zeiten – viele Menschen reagieren in Stresssituationen mit Verdauungsbeschwerden. Erfahren Sie hier, wie sich Stress auf die Verdauung auswirken kann und wie Sie Ihre Verdauung bei Stress unterstützen.
Bei Stress befindet sich unser Körper in Alarmbereitschaft. Er stellt sich auf das urzeitliche Entscheidungsschema «Kampf oder Flucht» ein. Die Atem- und Blutfrequenz steigert sich, während andere Prozesse wie die Verdauung gedrosselt werden.
Die Reaktion ist heute noch die gleiche wie in der Steinzeit, allerdings haben sich die Stressauslöser von Raubtierangriffen und Co. eher zu Zeit- und Leistungsdruck, Schicksalsschlägen und Reizüberflutung verschoben. Die Stressreaktion hält heutzutage oft über längere Zeit an und kann für die Verdauung und Darmflora einige unangenehme Folgen haben.
Was ist Stress?
Unter Stress versteht man eine erhöhte Beanspruchung durch innere oder äussere Reize, sogenannte Stressoren. Dabei wird positiver Stress (Eustress) von negativem Stress (Disstress) unterschieden. Eustress fordert die Person auf positive Weise und spornt zu Höchstleistungen an. Er tritt in Situationen auf, die zwar herausfordernd sind, aber als lösbar empfunden werden, z.B. als Anspannung vor der Hochzeit oder vor dem Vorstellungsgespräch. Der Übergang zum negativen Stress, dem Disstress, ist fliessend und hängt stark vom eigenen Empfinden ab. Manche Menschen sind belastbarer, andere haben eine niedrige Stresstoleranz. Disstress stellt eine Überforderung dar. Wenn wir über die negativen Auswirkungen von Stress reden, dann meinen wir diese Form von Stress.
Das enterische Nervensystem – ein zweites Hirn im Bauch
Unser Verdauungssystem verfügt über ein eigenes Nervensystem, das enterische Nervensystem (ENS). Dieses handelt weitgehend autonom. Es steuert die Verdauung, kommuniziert mit den Bakterien der Darmflora und hat über den Vagusnerv eine direkte Verbindung zum Hirn. Darüber gibt das enterische Nervensystem beispielsweise Informationen zu Appetit oder Verdauungsunregelmässigkeiten ans Hirn weiter. Bei Stress geht die Kommunikation in die andere Richtung: Das Hirn schlägt Alarm und gibt die Stressreaktion über den Sympathikus, einen Teil des vegetativen Nervensystems, an das enterische Nervensystem weiter.
Wie reagiert die Verdauung auf Stress?
Kommen wir in eine Stresssituation, schüttet der Körper die Stresshormone Adrenalin und Cortisol aus. Sie versetzen den Körper in Alarmbereitschaft und lassen ihn schnell reagieren. Das benötigt viel Energie, die der Körper an anderer Stelle einsparen muss – unter anderem im Magen-Darm-Trakt. Stress veranlasst also über das enterische Nervensystem die Verlangsamung der Magen-Darm-Tätigkeit. Ausserdem wird das Verdauungssystem weniger gut durchblutet.
Damit die Verdauung möglichst wenig Energie braucht, verbleibt die Nahrung länger im Magen. Dies kann zu Magenschmerzen, Übelkeit und Sodbrennen führen. Befindet sich die Nahrung schon im Darm, sorgt der Stress dafür, dass sie schnell ausgeschieden wird. Dies verursacht oft Durchfall.
Die Gefahr bei Dauerstress
Problematisch wird Stress vor allem dann, wenn er über längere Zeit anhält. Die reduzierte Durchblutung kann die Zusammensetzung der Darmschleimhaut verändern. Diese hindert normalerweise Schadstoffe daran, über den Darm in den Körper zu gelangen. Wenn diese Barriere geschwächt ist, beeinflusst das unser Immunsystem und es kann zu Entzündungsreaktionen im Darm kommen.
Chronischer Stress verändert ausserdem unsere Darmflora. Untersuchungen zeigen, dass die Vielfalt der guten Darmbakterien abnimmt und sich potenziell krankmachende Bakterien ausbreiten können. Eine unausgeglichene Darmflora kann einige negative Konsequenzen haben, denn die wichtigen Bakterien in unserem Darm leisten einen grossen Beitrag für eine funktionierende Verdauung und Nährstoffaufnahme, für ein starkes Immunsystem und für unser Wohlbefinden.
Beim Reizdarmsyndrom gilt Stress als begünstigender Faktor. Reizdarm-Betroffene leiden häufig unter Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall und Verstopfung. Psychische Belastung und Stress verschlimmern in der Regel diese Symptome. Ebenfalls werden Magengeschwüre häufig mit Stress in Verbindung gebracht. Tatsächlich kann Stress eine Erkrankung begünstigen. Oft haben gestresste Personen zusätzlich ungesunde Lebensgewohnheiten. Sie rauchen mehr und bewegen sich wenig, was Magen-Darm-Beschwerden zusätzlich begünstigt.
Was hilft bei Stress?
Bei akutem Stress, beispielsweise vor einer wichtigen Prüfung, lindern oft schon bewährte Hausmittel die Verdauungsbeschwerden. Machen Sie sich beispielsweise einen Tee mit Anis, Fenchel und Kümmel. Diese Kräuter wirken beruhigend auf den Magen-Darm-Trakt. Pfefferminze hat zusätzlich einen krampflösenden und beruhigenden Effekt. Eine Bettflasche sorgt für wohltuende Wärme. Empfehlenswert ist ausserdem ein Spaziergang an der frischen Luft. Und vergessen Sie nicht, tief durchzuatmen.
Wenn Stress die Verdauung häufig belastet, sollten Sie versuchen, Stressquellen zu reduzieren und sich einen Ausgleich zu schaffen. Oft ist das jedoch einfacher gesagt als getan. Dennoch gibt es einige Tipps, die Ihnen bei Stress helfen:
- Setzen Sie Prioritäten und versuchen Sie nicht, mehrere Dinge gleichzeitig zu erledigen. Eine To-Do-Liste kann Ihnen dabei helfen.
- Ein fester Tagesrhythmus mit fixen Aufsteh- und Schlafenszeiten kann in turbulenten Zeiten wichtige Sicherheit geben. Gönnen Sie sich ausserdem genügend Schlaf.
- Oft neigen wir in stressigen Zeiten zu ungesundem Essverhalten. Dies kann die Verdauung zusätzlich belasten. Versuchen Sie, sich ausgewogen und frisch zu ernähren und viel Gemüse zu essen. Trinken Sie ausreichend Wasser, ungefähr 1.5 bis 2 Liter pro Tag. Nehmen Sie sich ausserdem genügend Zeit für Ihre Mahlzeiten.
- Machen Sie Entspannungsübungen. Versuchen Sie es mit autogenem Training, Yoga, Atemübungen oder Meditation.
- Entspannungsbäder, Wellness und Massagen können ebenfalls für Entspannungsmomente sorgen.
- Bewegen Sie sich! Bei einem gemütlichen Spaziergang, einer Velotour, beim Tanzen oder im Fitnessstudio kriegen Sie Ihren Kopf frei.
- Planen Sie Freizeitaktivitäten ein, die Ihnen Spass machen. Kreative Tätigkeiten wie Malen oder Handwerken sorgen ebenfalls für einen Ausgleich.
- Vertrauen Sie sich jemandem an. Oft wirkt es schon entlastend, darüber zu sprechen.
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