Brack Logo

Innovation im Wandel: Apple zwischen Systemwandel, KI- und Ökosystem-Strategie

01.12.2025

«But there's one more thing» erklärt Steve Jobs – und die Menge schweigt erwartungsvoll. So begannen einige der legendärsten Produkt-Rollouts, die jemals dokumentiert wurden. Alle wussten, dass Apples Innovation mit Disruption einherging: marktverändernde Neuerungen. Ein Steve -Jobs-Produktlaunch war mehr als nur das, er galt als kulturelles Happening. Doch wie hat sich diese sofort offensichtliche Innovationskraft gewandelt – und was bedeutet Innovation in heutigen Tech-Märkten? Neben einer Reflexion zum Thema sprechen wir mit Dr. Nicolas Eschenbaum von Swiss Economics zu diesem spannenden Tech-Thema.

Von Disruption zu Systematik: Zwei Gesichter der Innovation

Die Ära von Steve Jobs galt als radikale Zeitenwende: Er hatte den Mut «All-In» zu gehen und führte Apple mit legendären Technologien wie dem MacIntosh (1984), dem MacBook (2006), iPhone (2007), iPad (2010) und weiteren signifikanten Technologie-Meilensteinen zur Rolle als Marktführer. Diese Geräte veränderten ganze Branchen und stiessen so manchen Konkurrenten ins markerschütternde Abseits.

Die heutige Zeit wird dominiert durch komplex-vernetzte internationale Märkte, Regulatorien, Technologien und innovativen Fortschritt, der manchmal auch eher hintergründig und langfristig entsteht. Es handelt sich nicht mehr um offensichtliche Neuerfindungen, die in den Händen der Menschen zu finden sind. KI (Künstliche Intelligenz)-Modelle mit ihren Large Language Models (LLM) beispielsweise sind für Nutzer:innen grossteilig jenseits der physischen Welt aktiv. Die gigantischen Rechenzentren hinter dieser Technologie, die für die Entwicklung der Algorithmen und Modelle genutzt werden, sind in unserem Bewusstsein (vorerst) ausgeklammert.

Tim Cook, der seit 2011 Apple als CEO führt, ist ein systemischer Geschäftsstratege, der das Unternehmen geschickt zum Ökosystem-Giganten konstruierte. Er steht für Optimierung und Skalierung: Das Apple-Ökosystem wird erweitert, die bestehenden Technologien diversifiziert, neue Modelle und Technologien parallel entwickelt, die ineinander greifen, aufeinander aufbauen und stetig Updates für die Kundenbasis bereithalten. Tim Cook baute Apple zum effizienten und erfolgreichen Giganten mit eigenem Ökosystem aus. Auch heute investiert der Tech-Riese gewaltige Summen – bis zu 31,4 Mrd. in 2024 – in Forschung & Entwicklung (F&E) allein mit 164.000 Mitarbeitenden weltweit.

Apple im Wandel – Vom «Boom!» zu neuer Balance

 

Jobs‑Ära (2011)

Cook‑Ära (2024)
Umsatz108 Mrd. USD391 Mrd. USD
Gewinn26 Mrd. USD94 Mrd. USD
Mitarbeitendecirca 60 000circa 164 000
F&E‑Budget3 Mrd. USD31,4 Mrd. USD
Marktwert350 Mrd. USD3,7 Bio. USD 
F&E‑Quote2–3 %8 %
InnovationsmodusDisruptiv (z. B. iPhone, iPad)Systemisch (vgl. Chips, KI, Vision Pro)

Unter Steve Jobs war Apple der Inbegriff von: «Ein Produkt, das alles verändert.» Tim Cook hat daraus eine Innovationsmaschinerie gemacht: weniger Show für mehr Struktur und Prozessoptimierung. Heute glänzt Apple nicht nur mit neuen Geräten, sondern mit einem orchestrierten Ökosystem aus Chips, Software und Services.

 

Dr_Nicolas_Eschenbaum_1200x800_blog_ratgeber.jpg
Wir sprechen zu diesem hochspannenden Thema mit Dr. Nicolas Eschenbaum, Senior Economist bei Swiss Economics und Experte rund um Tech-Themen, Plattform-Ökonomie und Digitalisierungstrends. | Quelle: Dr. Nicolas Eschenbaum

 

Von Agilität zu Stabilität: Dr. Nicolas Eschenbaum im Interview

«Wir müssen erst einmal zwischen disruptiver und systemischer Innovation unterscheiden. In der heutigen Zeit sind Innovationen weniger sichtbar geworden. Es ist beispielsweise kein brandneues Automobil mehr, das für alle offensichtlich auf der Strasse herumfährt. Radikale Innovationen wie KI benötigen gewaltige Investitionen in der Form von Ressourcen, Datenzentren und Team, die im Hintergrund arbeiten. Dieser Prozess ist für uns erst einmal weitgehend unsichtbar», erklärt Eschenbaum und ordnet so spannend ein, dass sich heute viel elementare Entwicklungsarbeit hintergründig abspielt: in gewaltigen Serverräumen, Milliarden Tokens  (Folgen von Bits), die zu einem Grossteil nur für die Entwicklung aufgewendet werden und gewaltigen Summen, die über Jahre zum Ergebnis führen.

Large Language Models (LLMs) wie ChatGPT leben von der Skalierbarkeit der Modelle: Je mehr Daten es gibt, desto mehr steigt die Qualität des gelieferten Outputs. Künstliche Intelligenz (KI) habe hierbei ebenfalls disruptiv die Nutzer-Interaktionen revolutioniert: ein Chat als Interface – die Antworten dynamisch und schnell verfügbar.

KI und der Wettlauf gegen die Zeit

Allein in puncto KI haben alle grossen Player – ob nun Google, Apple, Meta oder OpenAI – ein Augenmerk auf die nächsten Evolutionsschritte. Apple aber setzt auf eine komplett andere Architektur. Während die Konkurrenz in der Cloud agiert und gewaltige Ressourcen in Form von immer grösseren Datenzentren, komplexeren Trainingsdaten und expandierenden Rechnerfarmen in Bewegung setzt, fährt Apple seine KI-Antwort Siri on-device: Die Prozessoren der Geräte sind zwar fortschrittlich, doch für die nächste Generation von KI werden weitaus grössere Kapazitäten erforderlich. Die Konkurrenz nutzt die Cloud – und damit verbunden die Kraft der beschriebenen Rechenzentren hinter der Bühne des KI-Agenten-Chatfensters. Das erklärt auch, warum Apples Senior Vice President (SVP) Craig Federighi im Interview mit dem Wallstreet Journal erklärte, dass die Entwicklung der nächsten Generation von Siri noch immer Zeit in Anspruch nimmt. Apple will seinen Qualitätsanspruch erfüllen – auf seinem Weg zur Innovation: eine beachtenswerte, aber auch herausfordernde Zielsetzung. Auf der anderen Seite kam die Neuigkeit zum brandheissen M5-Chip, der neue Power auf Apple-Geräte bringt: ein Schritt im Sinne dieser Entwicklung – mehr Power auf dem Endgerät.

Wachstum und Wandel einer Weltmarke

Apples gewaltiges Wachstum in Zahlen wirkt sich natürlich auch unternehmenskulturell aus. Ein so grosses globales Flaggschiff hat ganz andere organisatorische Gegebenheiten: Prozesse benötigen mehr Zeit, Agilität wird reduziert für Stabilität im Ökosystem treuer Marken-Enthusiasten. Doch diese Sicherheit kann auch bedrohlich wirken: Junge Unternehmen und Start-Ups, gerade im amerikanischer Silicon-Valley-Metier, weichen mutig von den beschrittenen Pfaden ab, und haben die Schnelligkeit und Flexibilität, um disruptive Optionen zu wagen. Hier liegen also auch Risiken, und auch regulatorische Richtlinien arbeiten gegen die Ökosysteme, die mit Lock-In-Effekten – also dem sprichwörtlichen «Gefangen-Sein» innerhalb einer Plattform –  Anbieterwechsel unattraktiv machen und erschweren möchten. 

 

Siri_Apple_1200x800_blog_ratgeber.jpg
Die intelligente Stimme aus den Tiefen des Apple-Prozessors: Siri | Quelle: Omid Armin | Unsplash

 

Schweizer Innovationskultur und lokale Perspektiven

Den Schweizer und Europäischen Markt sieht Eschenbaum gut aufgestellt für Innovationskultur: «Wir haben eine Vielzahl an Forschungsinstitutionen und bieten hervorragende gesellschaftliche Grundlagen für Innovationen. Und gerade lokale Nischen-Lösungen haben Potenzial, wenn die Giganten in der Horizontale Märkte dominieren. Hier bilden sich Lücken für Lösungen: beispielsweise, wenn der Kundenstamm im Grunde von einem grossen Produkt-Portfolio eigentlich nur ganz bestimmte Funktionalitäten primär benötigt.», beurteilt der Forscher den Lokalmarkt und gibt eine Perspektive für die Nischen, die zwischen den Ökosystemen der Tech-Giganten entstehen und Potenziale aufwerfen.

Disruption und KI

Wo immer etablierte Systeme vorherrschen, gibt es auch das Risiko auf Trägheit und die Anfälligkeit, einen Markt-Trend zu verpassen. Apple ist zu einem gewaltigen Ökosystem gewachsen, und die Produkte generieren noch immer Hype und erfüllen die Qualitätsstandards ihrer Fans. Dennoch wäre vielleicht neben stabiler System-Entwicklung auch die Notwendigkeit für eine inspirierende Revision der ikonischen Ära Jobs, die mit legendärem Mut zu Neuem beispiellos unsere heutige Welt prägte.

Eschenbaum resümiert im Hinblick auf Zukunftstrends mit dem Potenzial der KI für Innovation: Ideen könnten häufig schneller erprobt werden, Konzepte und Prototypen, beispielsweise einer Software, ressourceneffizient und zeitnah entwickelt werden. Das ermögliche eine schnelle Zeit von der Konzeption einer Geschäftsidee bis hin zum Markteintritt und der Erprobung von Konzepten – dynamisch und agil, wie es die amerikanische Silicon-Valley-Kultur seit Jahren vorlebt. Die Innovation selbst – der kreative, geniale Ansatz – müsse weiterhin vom Menschen kommen. Aber, KI kann und wird auf dem Weg dorthin, bei der Recherche und Eruierung der Datenlage, helfen. Ein sinniger Key Performance Indikator (KPI) für Innovation sei laut Eschenbaum deutlich der zeitliche Zyklus, in dem eine Idee konzipiert und erprobt werden könne. Es brauche Mut zum Fehler, ein wenig Lust auf Revolution und die Kraft zur Investition. 

«Innovationskraft und Fehlerkultur hängen in Unternehmen fest verwoben zusammen. Es darf auch einmal etwas Scheitern. Diesen Mut zu neuen Ufern würde ich mir auch in Europa noch etwas mehr wünschen. Der Weg zum erfolgreichen Ökosystem braucht erst einmal innovative Ideen, die die Nutzer begeistern.» Wir bedanken uns beim Gespräch mit Herrn Dr. Eschenbaum von Swiss Economics.

Was sind eurer Meinung nach die Zukunftstrends, die Innovationskultur in den nächsten Jahren prägen werden? Lasst es uns in den Kommentaren wissen. 😉 

 

Quelle Titelbild: Zhiyue | Unsplash

Maximilian Bauer

Marketing Manager Editorial Content

Ehemaliger Kulturjournalist, heute Unternehmenskommunikator mit B2B-Hintergrund in öffentlichen Institutionen und der Softwareindustrie. In meiner Freizeit dreht sich vieles um Technik in allen Facetten: eine zu grosse Gitarrensammlung, jede Menge Audio-Equipment und ungebrochene Musikleidenschaft. Dazu kommt das Fotografenauge – mit Schwäche für (leider) viel zu teure Kameras – und meine nostalgische Liebe zu PC-Spielen: von taktischen Shootern über Rollenspiele bis hin zu Strategie-Klassikern. Bei Brack darf ich über all das schreiben, was mich schon immer fasziniert hat.

Alle Beiträge des Autors anzeigenicon/arrowRight
,
FacebookLinkedinRedditXWhatsapp