
Zwei Tage voller Freude an den Regional Games 2023
Gelebte Inklusion. Das ist das Ziel von Sportanlässen wie den Regional Games, der grössten Veranstaltung für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung in der Schweiz 2023. Am ersten Juli-Wochenende fand die aktuelle Ausgabe in Rapperswil-Jona statt. Ich war live dabei.
Die Regional Games finden ein bis zwei Mal pro Jahr statt und bringen zwischen drei und sieben Sportarten zusammen. Sie sind in diesem Jahr der grösste Anlass von Special Olympics in der Schweiz. Rund 300 Athletinnen und Athleten nehmen daran teil, flankiert von 120 Betreuern und 300 freiwilligen Helfern und Helferinnen. An den beiden Tagen des ersten Juli-Wochenendes werden sieben Disziplinen ausgetragen: Unihockey, Golf, Tennis, Boccia, Bowling, Tischtennis und Fussball. Bei letzterem ist BRACK.CH als Sportarten-Sponsor dabei.
Special Olympics
Die Organisation hinter den Regional Games stammt ursprünglich aus den USA. Sie wurde 1968 mit dem Zweck gegründet, die Inklusion von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung zu fördern und sie bei einem aktiven und erfüllten Lebensstil zu unterstützen. Der Schweizer Ableger von Special Olympics ist seit 1995 aktiv und organisiert neben den Regional Games alle zwei Jahre die National Games, eine grosse Veranstaltung auf nationaler Ebene. Daneben bereitet Special Olympics Switzerland Schweizer Delegationen für die Teilnahme an Weltspielen vor, bietet jährlich rund 70 lokale Wettkämpfe in 21 Sportarten an und fördert angepasste Sportangebote innerhalb bestehender Sportvereine und Breitensportanlässe.
Als ich am Sonntagmorgen auf der Sportanlage Grünfeld eintreffe, werden gerade die letzten Matches gespielt. Ich werde direkt von Sandro Hodel in Empfang genommen. Er ist im OK der Regional Games und für die Kommunikation zuständig. Entsprechend ist er heute ein gefragter Mann, nimmt sich aber trotzdem die Zeit, mich auf dem Gelände herumzuführen. Auf dem Weg zu den Fussballplätzen erklärt er mir einige Hintergründe des Events:
Die einzelnen Disziplinen werden von entsprechenden Sportvereinen aus der Region organisiert, zusammen mit den Sport Officials von Special Olympics. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen sind allerdings nicht nur auf die Region beschränkt. Sie kommen aus der ganzen Schweiz sowie aus Liechtenstein. Und sogar zwei internationale Teams sind extra aus den Niederlanden und Irland angereist.
Bei den Fussballplätzen angekommen, klingelt Sandros Handy und er «übergibt» mich an Hanspeter Schürmann, Delegation Liaison Fussball bei Special Olympics Switzerland an den Regional Games Rapperswil-Jona. Er ist praktisch ein Urgestein in diesem Sport und seit mehr als 30 Jahren dabei. Er betont ganz besonders die Freude, die sein Engagement ihm und auch den Athletinnen und Athleten bereitet. Diese Freude wird für mich schon bald zum inoffiziellen Oberthema des gesamten Tages, denn man sieht sie einfach überall: Sei es auf oder neben dem Spielfeld, bei einem mitreissenden Song aus der Musikanlage der Sporthalle oder beim Einmarsch auf das Podium bei der Siegerehrung.
Aber ich greife vor. Es scheint, dass ich gerade zum richtigen Zeitpunkt bei den Fussballplätzen eingetroffen bin. Hanspeter weist mich nämlich auf ein besonderes Fussballspiel hin, das in wenigen Minuten beginnt: Ein spontanes Freundschaftsduell zwischen den Trainern der anwesenden Teams und einem Team der Kategorie A, dem FCZ Brunau 1. «Die Trainer sehen ganz schön nervös aus», raunt mir Hanspeter noch zu, dann geht die Partie schon los.
Obwohl die Kontrahenten zu diesem Zeitpunkt bereits das gesamte Turnier hinter sich haben, schenken sie sich nichts. Das Fairplay wird dabei aber immer gelebt. Nach den vereinzelten Fouls helfen sich die Spieler immer direkt beim Aufstehen und umarmen sich anschliessend. Davon könnten sich viele Fussballspieler in den höchsten Ligen noch eine Scheibe abschneiden. Das Spielfeld ist klein und das Tempo hoch: Aus einem 1:0 wird rasch ein 1:2 und nach der kurzen Spielzeit von 20 Minuten steht es bereits 3:3, es kommt also zum Penaltyschiessen. Und auch hier mag keiner der Kontrahenten nachgeben. Erst in der allerletzten Runde können die Kicker des FCZ Brunau die Partie für sich entscheiden.
Special Olympics und Paralympics
Es gibt zwei weltweite Organisationen, die Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen die Teilnahme an Sport-Grossanlässen ermöglichen, Special Olympics und Paralympics. Im Folgenden findest du die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale bezüglich der Teilnahmebedingungen. Übrigens hat meine Kollegin Marie-Line kürzlich einen Beitrag über einen Paralympics-Athleten verfasst. Hier geht's zum Artikel.
Special Olympics
- Offen für alle Menschen mit geistiger und Mehrfachbehinderung
- Homogene Leistungsgruppen
- Jeder Athlet und jede Athletin werden an der Siegerehrung geehrt
Paralympics
- Umfasst sechs körperliche Behinderungsformen
- Klassisches Leistungsprinzip: Nur die Besten können teilnehmen
Inklusion im Haupt- und Rahmenprogramm
Diesem Freundschaftsduell sind zwei Tage voller Spannung, Emotionen und sportlicher Leistung vorangegangen. Am Samstagmorgen steht als erstes das sogenannte Divisioning auf dem Programm. Dabei werden die Athletinnen und Athleten sozusagen in der Aufwärmphase von Spielbeobachtern eingeschätzt und gemäss ihren Fähigkeiten in mehrere Gruppen von maximal acht und minimal drei Personen eingeteilt. Die Disziplinen werden dann innerhalb dieser Gruppen ausgetragen. Dies dient dazu, die unterschiedlichen Grade an Beeinträchtigung zu berücksichtigen. So bekommen alle die Chance, zu gewinnen. Weitere Unterteilungen der Athleten und Athletinnen gibt es nicht, sie treten also unabhängig von Geschlecht und Alter gegeneinander an. Erst ab einer gewissen Teilnehmerzahl wird auch nach Geschlecht unterteilt.
Dieses Divisioning wird sehr sorgfältig gemacht und nimmt den ganzen Samstagmorgen ein. Am Nachmittag beginnen dann die Spiele in den einzelnen Disziplinen. Parallel dazu findet am Samstagnachmittag der Kids & Family Day statt. Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen können hier inklusive Sportarten kennenlernen. Dazu sind sieben regionale Vereine vor Ort, um den Kleinen die verschiedenen Disziplinen nahezubringen.
Lena Thoma von Special Olympics Switzerland begleitet den Kids & Family Day vor Ort und ist sehr zufrieden. Insgesamt nehmen 29 Kinder teil und absolvieren diverse Posten, um eine Medaille und ein Geschenk zu erhalten. Bei einem der Posten ging es ums Tanzen, was zu Beginn einige der Kinder nicht gerade begeisterte. «Es freute mich, dass ich jedoch genau diese Kinder voller Freude beim Tanzen beobachten durfte.», resümiert Lena mit einem Augenzwinkern.
Am Kids & Family Day gab es einiges zu entdecken für den Nachwuchs …
Tanzeinlagen gibt es indes auch am Sonntag. Einer der Athleten lässt sich nämlich zu einer spontanen Karaoke-Nummer hinreissen. Er stellt sich ganz allein auf die Bühne, die später für die Siegerehrungen genutzt wird, und gibt einige Songs von Michael Jackson zum Besten, inklusive Adlibs und Moonwalk. Und er tut dies mit einer Leidenschaft, die dem King of Pop in nichts nachsteht, eine tolle Show!
Eine solche dürfen die Athleten und Athletinnen auch am Samstagabend erleben. Sie sind nämlich eingeladen zur Gymnaestrada, einer hochkarätigen 90-minütigen Aufführung der besten Turner und Turnerinnen der Schweiz.
Sportlicher Wettkampf und ein ausgedehntes Fest zum Abschluss
Bei allem Rahmenprogramm bleibt der Hauptanlass natürlich der Wettkampf in den verschiedenen Disziplinen. Dieser gestaltet sich ein wenig anders als bei regulären Sportveranstaltungen: Die Athletinnen und Athleten wollen zwar auch gewinnen, sind dabei aber nicht so verbissen, gönnen auch den anderen den Sieg und freuen sich für sie mit. «Die Leistung steht nicht im Vordergrund», bestätigt Sandro Hodel.
Vielmehr sind es die Emotionen und ganz besonders die Freude, die im Vordergrund stehen. Viele der Athleten und Athletinnen verfügen über keinen «Filter» und zeigen ihre Freude komplett unverstellt. Da könnten viele von uns noch etwas lernen. Und das ist gerade der zweite wichtige Punkt an den Regional Games: Einander begegnen und voneinander lernen.
Nachdem am Sonntag die letzten Partien entschieden sind, geht es zur Verpflegung in die grosse Halle der Sportanlage. Für das leibliche Wohl sorgen die zahlreichen Helfer und Helferinnen; es gibt einen Klassiker: Ghackets mit Hörnli.
Danach folgen die Siegerehrungen, für die man sich gut zweieinhalb Stunden Zeit nimmt. Es werden nämlich sämtliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Medaillen oder Rangbändern geehrt. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, ob man den fünften oder den ersten Rang belegt: Die Athleten und Athletinnen stürzen sich immer enthusiastisch aufs Podest, sobald sie aufgerufen werden. Und auch das Publikum bejubelt alle gleich frenetisch, unabhängig von deren Rang, Teamzugehörigkeit oder Disziplin.
Zur guten Stimmung trägt auch die Musik bei. Rock-Klassiker von Queen, AC/DC und Co. sind dabei genauso wichtig wie die Hymne von Special Olympics, welche jedes Mal abgespielt wird, sobald das Podium vollständig besetzt ist. Dabei ist es egal, dass sie schlussendlich wohl mehr als 20-mal vorkam, alle Anwesenden freuen sich immer wieder aufs Neue über diesen Song und nehmen die Arme beim Refrain hoch. Eine solche Siegerehrung habe ich noch nie erlebt. Das war ein richtiges Fest und nicht bloss reine Formalität!
Und auch die darauffolgende Abschlusszeremonie bringt eine ganz besondere Stimmung in die Halle. Sichtlich stolz dürfen Vertreterinnen und Vertreter der einzelnen Teams mit einem Schild, das ihren Teamnamen trägt, in die Sporthalle einziehen. Abgerundet wird die Feier von einem 5-minütigen Highlight-Video, das bei vielen Anwesenden noch einmal Freudenstürme auslöst, wenn sie sich selbst oder jemanden aus ihrem Team auf der grossen Leinwand erblicken.
Beim Hinausgehen höre ich noch einen Athleten am Telefon, wie er seinen Eltern ganz aufgeregt erzählt, «On a finit premier, medaille d'or!».
Das nächste grosse Highlight für alle Wintersport-Athletinnen und -Athleten von Special Olympics sind die National Winter Games, die im März 2024 in der Region Haslital-Brienz stattfinden. Als Sponsor sind wir jedoch bereits vorher wieder dabei, nämlich am Special Olympics Fussballturnier in Nyon am 24.09.2023. Komm doch vorbei und erlebe Inklusion hautnah!
Redaktor
Let the Beat Hit 'em! Als passionierter Hochzeits-DJ interessiere ich mich für alles, was Musik wiedergibt. Auch privat höre ich praktisch ununterbrochen Musik, sodass in der Wohnung der eine oder andere Lautsprecher herumsteht – von ganz klein bis ganz gross. Daneben schätze ich Filme und Games im Heimkino, geniesse einen guten Whisky (natürlich mit der passenden Musik im Hintergrund) und kurve mit meinem 20-jährigen Cabrio durch den Schwarzwald.
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