
Der erste Computer-Bug hatte Flügel, heisst es
Wenn wir von einem «Bug» sprechen, meinen wir damit einen Programmierfehler: Verzögerungen, Abstürze, Fehlfunktionen oder trotzige Elemente, die einfach nicht laden wollen. Doch wusstest du, dass der erste sogenannte Computer-Bug einem richtigen Insekt zugeschrieben wird? Oh ja, «Bugs» konnten durchaus Insekten sein; lebendige, summende, surrende Wesen mit Beinchen und Flügeln. Erfahre hier, was es mit dieser Geschichte auf sich hat und was sich hinter dem Begriff verbirgt.
Heute kennen wir Computer als geschlossene Gehäuse unter dem Schreibtisch, schmale Notebooks im Rucksack oder federleichte Smartphones in der Hosentasche. Sie sind überaus kompakt und für Insekten geradewegs unzugänglich, wenn auch nicht unbedingt für Staub. Bis in die 70er und 80er hingegen waren sie tonnenschwer und füllten ganze Räume aus. Kein Wunder also, dass auch Insekten hineingelangen konnten.
Unter diesen findet sich ein bestimmtes Ungeziefer, das den Begriff «Bug» als Systemfehler bedeutend mitprägte. Denn dieser Begriff steht im Englischen, wie du vermutlich weisst, in erster Linie für Insekten.
Harvard Mark II: Von der Motte zum Bug?
Einer dieser kolossalen frühen Grosscomputer war der Harvard Mark II, auch unter dem Namen «Aiken Relay Calculator» bekannt. Beachtliche 23 Tonnen brachte der Rechner auf die Waage – was nicht sonderlich überraschend ist, beanspruchte er doch 370 m2 an Fläche und war aus abertausenden Bauteilen zusammengesetzt. Die Navy-Mathematikerin Grace Hopper baute ihn gemeinsam mit anderen Mathematiker:innen und Techniker:innen unter der Leitung von Howard Aiken an der Harvard-Universität. Trotz seiner Grösse und Komplexität brauchten sie jedoch keine drei Jahre dafür: Der Vertrag zur Entwicklung des Rechners wurde 1945 unterzeichnet, fertiggestellt wurde er letztlich im September 1947.
Natürlich lief das Projekt nicht ohne Komplikationen ab, und eine davon gibt heute noch Grund zu schmunzeln.
Motte legt Grossrechner lahm
Im Monat der Fertigstellung kam es plötzlich zu einer Fehlfunktion. Eine leblose Motte hing im Relais #70, Panel F, und hatte den gesamten tonnenschweren Rechner zum Stillstehen gebracht. Die Techniker klebten die Motte in ihr Logbuch und ergänzten in trockenem Humor: «First actual case of bug being found.» (Übersetzt: Erster tatsächlicher Fall eines gefundenen Bugs.) Hopper fand grossen Gefallen an der Ironie des Vorfalls und popularisierte die Begriffe «bug» und «debugging» in der Informatik massgeblich, indem sie das Geschehen laufend verbreitete.
Die Anekdote mag unterhaltsam sein, sie als Ursprung des Begriffs zu sehen, wäre jedoch ein Bug für sich – die Wurzeln dieses Käfers reichen nämlich viel weiter zurück.
«Bugs» gab es noch vor Computern
Es war nicht die Motte aus der Geschichte, die den Begriff «Bug» ins Leben rief. «Bugs» gab es als solche schon vorher, und die Bezeichnung wurde schon damals als Fachbegriff für Fehler in technischen Systemen verwendet. So leitete beispielsweise Thomas A. Edison seinen Brief an einen Geschäftspartner 1878 mit den folgenden Worten ein: «You were partly correct, I did find a bug in my apparatus …» (Übersetzt: Sie hatten teilweise recht, ich habe einen Bug in meinem Gerät gefunden …) Im selben Brief bringt er den Fehler scherzhaft mit einer imaginären Insektengattung in Verbindung.
Und tatsächlich soll das nicht das erste Mal gewesen sein, dass Edison bei Systemfehlern von einem «Bug» sprach – geschweige denn wohl das erste Mal überhaupt, dass dieser Begriff dafür eingesetzt wurde. «Bug» wurde im Englischen schon davor als Synonym für etwas Unerwünschtes und Störendes verwendet. Im Laufe des Industriezeitalters übertrug sich diese Bedeutung auf Fehlfunktionen in Maschinen. Ähnlich sieht es auch mit dem Begriff «debugging» aus: Er wurde zunächst in der Elektrotechnik verwendet, bevor er in der Informatik Verbreitung fand.
Wir halten somit fest:
- Die Motte in der Harvard Mark II und der Logbucheintrag haben zweifelsfrei bedeutend zur Popularität des Begriffs beigesteuert.
- Das war allerdings nicht das erste Mal, dass ein Systemfehler als «Bug» bezeichnet wurde.
- Und auch nicht das erste Mal, dass mit einem Witz die Brücke von einem technischen Defekt zu richtigen Insekten geschlagen wurde.
Charmante Anekdote verdrängt Realität
So unterhaltsam die Anekdote von der verhängnisvollen Motte in der Harvard Mark II auch sein mag; sie hat den Begriff zwar bestärkt, aber nicht erfunden. «Bugs» waren schon lange zuvor als Fachbegriff für Störungen in mechanischen und elektrischen Systemen in Gebrauch. Die bildhafte Geschichte verbreitete sich wie ein Lauffeuer und verlieh dem Wort zweifelsohne neue Popularität in der Informatik. Sie ist so charmant, dass sie den eigentlichen Ursprung immer wieder verdrängt, allem voran in der Mundpropaganda.
Während unsere heimischen PCs, schlanken Notebooks und schmalen Smartphones kaum noch Platz für Krabbeltiere bieten, steckte in den Anfängen tonnenschwerer Rechenmaschinen buchstäblich noch Raum für alles – von Relais über Kabelverhau bis zu röhrenbestückten Rack-Aufbauten, die ganze Hallen füllten. Die Geräte, die mittlerweile in Schuhkartongrösse in jeder Ecke unseres Zuhauses Platz finden, waren einst monumentale Ungetüme. Wie gut, dass Computer heutzutage sogar in unsere Hosentasche passen können, und in der Regel mottenfrei bleiben.
Quelle Titelbild: Unsplash | Mireille Raad
Content Marketing Managerin
Wenn ich mal nicht gerade damit beschäftigt bin, meiner literarisch-kreativen Ader freien Lauf zu lassen, stecke ich höchstwahrscheinlich in einem Netflix-Marathon fest («Nur noch eine Folge!»), unterhalte ich mich angeregt über die verschiedensten Themen, lese ein gutes Buch oder fordere mich selbst mit einem neuen Hobby heraus. Meine Wissbegierde kennt keine Grenzen, und hier habe ich die Möglichkeit, sie auszuleben und mit anderen zu teilen.
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